Hexengold
womit?«
»Das spielt keine Rolle mehr. Geholfen hat es ihm ohnehin nicht. Das Einzige, was zählt, ist: Ich bin ihm bislang lebend entkommen.« Mit schleppenden Schritten schlurfte er zum Tresen und griff nach dem Leuchter. »Bei Euch Frauen wird er sich wohl kaum so nachsichtig zeigen.«
»Lasst uns endlich ins Laboratorium. Wir haben es eilig.« Brüsk versperrte Carlotta ihm den Weg. Sie verstand nicht, wie geduldig die Mutter sich noch immer zeigte. Für sie beide zusammen wäre es ein Leichtes, den Mann außer Gefecht zu setzen. Bei der peniblen Ordnung könnten sie auch ohne seine Hilfe nach den erforderlichen Mitteln suchen. Schon wollte sie ihn an der Schulter packen, da gab die Mutter ihr ein Zeichen, von ihm abzulassen.
»Aber, aber, mein Kind!« Der dürre Mann spitzte belustigt den Mund. Abscheu erfasste sie, als sie ihn so nah vor sich sah. Er verströmte den typischen Altmännergeruch. Wasser und Seife waren ihm offenbar zu kostbar, sie selbst zu gebrauchen. Eher verkaufte er sie für teures Geld und ergötzte sich am Klimpern der Münzen. Sie musste an sich halten, ihn nicht entrüstet beiseitezustoßen.
Mit seinen winzigen, grauen Augen sah der Apotheker zwischen ihrer Mutter und ihr hin und her. »Ich bin ein alter Mann. An meinem Körper haben Lindström und seine Leute keine große Freude. Getötet bin ich schnell, aber das war es dann auch schon. Zudem habe ich weder Frau noch Tochter, an denen sie sich schadlos halten können. Also lässt er mich in Frieden. Bislang habe ich ihm wenigstens hin und wieder ein Mittel bringen können, das ihm für ein paar Stunden Linderung verschafft hat.«
»So verratet uns doch endlich, was Ihr ihm verabreicht habt!« Gegen ihren Willen stampfte Carlotta mit dem Fuß auf. Die Mutter indes schüttelte noch einmal mahnend den Kopf. Natürlich hatte sie recht. Das unbedarfte Gebaren brachte ihn eher zum Schweigen denn dazu, mit seinem Wissen herauszurücken.
»Habt Ihr es schon mit einer Bernsteinessenz versucht?«, schaltete sich die Mutter freundlich ein. Carlotta fuhr herum. Darauf hätte sie längst selbst kommen können! Nicht ohne Stolz bemerkte sie, wie der Apotheker die Augen aufriss und Magdalena anstarrte. Carlotta nutzte den Moment und kramte ihren Beutel hervor, den sie am Rock befestigt hatte. Gleichzeitig ärgerte sie sich ein wenig. Hätte die Mutter ihr gleich gesagt, was sie wollte, hätten sie sich den Gang zu diesem aufgeblasenen Apotheker sparen können. Doktor Petersen hatte ihr schließlich mitgegeben, wonach die Mutter verlangte. Gerade wollte sie die Phiole herausziehen, da wandte sich Magdalena vollends ab und richtete ihr ganzes Augenmerk auf den Apotheker: »Ihr habt doch welche vorrätig?« Als der alte Mann nichts erwiderte, rief sie ungläubig aus: »Behauptet nicht, dass ich in einer Stadt wie Thorn bei einem Apotheker wie Euch keine fertig aufgesetzte Bernsteinessenz finde! Habt Ihr denn Euren Paracelsus nicht gelesen?«
»Nnnein«, stammelte der kleinwüchsige Mann auf einmal verlegen. Dabei blieb offen, worauf sich sein Nein bezog: darauf, dass er keine Bernsteinessenz angesetzt hatte, oder darauf, dass er nicht in der Lektüre des Gelehrten bewandert war. Geschlagen schlurfte er ins Laboratorium.
Wieder versuchte Carlotta, die Gelegenheit zu nutzen und sich bemerkbar zu machen. Doch die Mutter schenkte ihr weiterhin nicht die geringste Beachtung. Zu sehr brachte sie das Verhalten des Apothekers auf. Schon verdrehte sie die Augen und stürzte ihm hinterher. Carlotta fluchte. Sie hatte doch das Mittel!
»Wenn wir die Essenz erst ansetzen müssen, kostet uns das mehrere Tage! Lindström wird wohl kaum so lange warten wollen. Ganz zu schweigen von der Zeit, die es braucht, bis sich eine erste Wirkung einstellt.« Zur Antwort murmelte der Apotheker etwas, was Carlotta nicht verstand. Schon schimpfte Magdalena weiter: »Was ist mit den anderen Apothekern? Sind etwa alle Eure Zunftgenossen so wie Ihr?«
»Gebt Euch keine Mühe, Verehrteste«, entgegnete der spitznasige kleine Mann auf einmal laut und entschieden. »Es liegt nicht an uns Apothekern. Denkt nicht, wir hätten unseren Paracelsus nicht studiert! Wir wissen, wie wir das Gold unserer Küsten verwenden. Doch es hilft nichts. Beschwert Euch lieber bei den Schweden. Nirgendwo in der Stadt werdet Ihr noch einen einzigen Bernstein finden, geschweige denn ausreichende Mengen Pulver, um daraus die Arznei zu destillieren. Seit zwei Jahren sitzen die Heringfresser hier. Immer
Weitere Kostenlose Bücher