Hexengold
Samstag begann der Juni. Sie hatte gehofft, bis Pfingsten bei Eric zu sein und das Rätsel um seine Lüge geklärt und vielleicht endlich Licht in das Dunkel der Vergangenheit ihrer beider Familien gebracht zu haben.
»Wie lange schon?« Lindströms Stimme schreckte sie auf. Er hatte die Augen aufgeschlagen und schaute sie an. Seine Augen waren von tiefem Braun.
»Was?«, fragte sie nur.
»Wie lange schon ist es her, dass mich der letzte Krampf geschüttelt hat?« Er zog die Ellbogen an, um sich darauf abzustützen. Das Hohlwangige war aus seinem Gesicht verschwunden. Die leichte Röte stand ihm gut. Selbst die Lippen verloren allmählich das Blutleere.
»Einige Stunden«, behauptete sie. Tatsächlich plagten ihn schon geraume Zeit keine Krämpfe mehr. Die letzten Tage hatte er meist tief und fest geschlafen. Fehlender Schlaf war ein weiterer Grund für den schlechten Zustand, in dem er sich befunden hatte. »Die Essenz wirkt gut.«
»Ja, das stimmt.« Langsam richtete er sich vollends zum Sitzen auf. »Ich fühle mich auf einmal wie neugeboren.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Es war unrasiert. Magdalena hatte nicht zugelassen, dass der Bursche den schlafenden Hauptmann zur täglichen Körperpflege weckte. Die Bartstoppeln verliehen seinem Antlitz etwas Verwegenes. Schwungvoll schlug er die Decke zurück und zog die Beine an.
»Nicht!« Entsetzt sprang Magdalena auf und verwehrte ihm, sich übermütig aus dem Bett zu schwingen.
»Was soll das?«
»Es ist zu früh. Ihr müsst Euch noch schonen. Nach all den Wochen voller Schmerzen und Pein seid Ihr viel zu schwach, um gleich aufzustehen.«
»Du machst dir doch nicht etwa ernsthaft Sorgen um mich?« Lindström lachte schallend und entblößte seine langen, ebenmäßigen Zähne. Ein Funkeln trat in seine Augen. Unter dem Leinenhemd zeichnete sich der muskulöse Körper ab. Magdalena erfasste ein verräterisches Kribbeln. Für einen Moment gefiel ihr der Hauptmann sehr. Trotz der grauen Haare wirkte er verführerisch jung. Rasch trat sie einen Schritt zurück. Er beugte sich vor, fasste nach ihrer Hand, drückte sie sich aufs Herz und zog sie nah zu sich heran. Das rhythmische Pochen übertrug sich auf ihren Körper. Dicht vor ihm stehend fühlte sie seinen warmen Atem auf dem Hals.
»Nicht so hastig, mein Täubchen!« Seine Stimme war leise und überraschend zärtlich. »Denk nicht, du kannst mich täuschen. Ich merke doch, wie es dir geht. Du hast mich von großer Pein errettet! Das sollten wir beide feiern, meinst du nicht? Wachen!« Brüsk drehte er sich zu den beiden Männern um, die rechts und links der doppelflügeligen Tür standen. »Geht eine Weile vor die Tür und passt auf, dass uns niemand stört.«
Die Soldaten grinsten anzüglich, als sie der Aufforderung des Offiziers nachkamen.
»Und nun zu uns beiden.« Grinsend schob sich Lindström weiter an Magdalena heran. Seine Arme umfingen ihre Hüften, er presste den Oberkörper gegen ihren Unterleib. Kurzzeitig verlor sie das Gleichgewicht, strauchelte, musste sich an ihn lehnen, um nicht umzufallen. Die Wärme, die er ausstrahlte, machte sie angenehm schaudern. Halt suchend umklammerten ihre Hände seine kräftigen Oberarme. Die Muskeln darin spannten sich an. Sie sog den kernigen Duft seines Körpers ein.
Auf einmal hob Lindström sie an, schwang sie zur Seite und ließ sie rücklings aufs Bett fallen. Abwehrend schnellten ihre Arme nach oben. Anders als befürchtet, beugte er sich jedoch nicht über sie, um seine körperliche Lust zu stillen. Wie hatte sie ihn verkennen können! Eine andere Lust war ihm weitaus wichtiger: sie zu demütigen.
»Sieh an, sieh an«, sagte er und stützte sich mit dem Ellbogen neben ihrem Kopf ab. »Die rote Magdalena hat Angst. Wovor? Doch nicht etwa vor mir?« Tadelnd schüttelte er den Kopf. »Wie könnte ich dir etwas zuleide tun, gerade jetzt, wo du es wieder einmal geschafft hast?«
Aufreizend langsam ließ er den Blick seiner braunen Augen über ihren Körper gleiten. Wieder lief ihr ein Schauer über den Rücken. Dieses Mal jedoch nicht vor Wonne, sondern vor Abscheu. Lindström höhnte weiter: »Wieder einmal hast du all deinen Widerwillen besiegt und einen deiner ärgsten Feinde vor dem sicheren Tod bewahrt. Hast du eigentlich jemals gezählt, wie oft du das schon getan hast, du tapferes, kleines Biest? Nie werde ich aufhören, Gott dafür zu danken, dich im rechten Augenblick nach Thorn geschickt zu haben.«
Mit einem Ruck richtete er sich
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