Hexengold
vom Bett auf und trat ans Fenster. Eine Zeitlang schaute er schweigend auf die Straße hinunter. Im Gegenlicht der Nachmittagssonne wirkte er riesig. Zögernd löste Magdalena den Blick von ihm und wagte vorsichtig, aus dem flauschigen Federbett ebenfalls in die Senkrechte zu kommen und sich auf die Bettkante zu setzen.
Da wandte er sich wieder um und musterte sie abermals gründlich, bevor er mit leiser Stimme sprach. »So, wie du mich anschaust, musst du mich wirklich für eine der übelsten Kreaturen auf Erden halten. Und nach allem, was wir beide miteinander erlebt haben, gebe ich dir sogar recht. Ja, ich habe Englund damals verraten und im Stich gelassen, mir seinen Rang im Heer erschlichen und ihn festgenommen, am Ende sogar dafür gesorgt, dass er bei einem der letzten, von vornherein aussichtslosen Kämpfe in Landsberg in den Tod gegangen ist.« Er hielt inne und senkte den Blick. Es schien, als bebte sein Körper.
Sie spürte, wie die Erinnerung an jene schicksalsträchtigen Monate am Ende des Großen Krieges sie ebenfalls in Bann schlug. Ihre Finger wanderten auf die Brust, fanden den Bernstein und hielten ihn fest. Englund war damals auf Lindströms Betreiben hin dem Hauptmannsrang enthoben und zum einfachen Soldaten degradiert worden. Die Schmach, fortan ausgerechnet unter Lindströms Befehl zu stehen, hielt Erics Vetter nur kurze Zeit durch. Hoch erhobenen Hauptes ritt er schließlich in den Tod, nur wenige Monate vor Ende des Krieges.
»Doch vergiss nicht, warum ich das getan habe«, fuhr Lindström fort. »Zuvor hat Englund seine Kameraden und mich verraten, hat uns alle vor Rothenburg im Stich gelassen. Und warum? Allein der Aussicht wegen, mit dir und dem fetten Mönch seinen verloren geglaubten Vetter Eric wiederzufinden!« Er ballte die Faust, hielt sie vor den offenen Mund und biss hinein. Damit gelang es ihm gerade noch rechtzeitig, einen erbitterten Aufschrei der Wut in der Kehle zu ersticken.
Eine Weile überließ Magdalena ihn seinem Schmerz. Schließlich ging er zu einer Truhe und wühlte in den Kleidungsstücken, die sich darin befanden. Bedächtig stieg er in ein Paar helle, nicht sonderlich weite Hosen, stopfte das Hemd hinein und schloss den breiten Gürtel. Daraufhin zog er ein dunkelgrünes Wams aus Samt über und knöpfte es sorgfältig zu. Während er einen dunkelblauen Rock vom Haken an der Wand nahm, warf er ihr einen schwer zu deutenden Blick zu. »Du liebst ihn immer noch, nicht wahr?«
»Wen? Englund?«
»Nein. Diesen Eric.« Er schlüpfte in den Rock.
»Wieso fragt Ihr?«
»Muss ich dir das erklären?« Prüfend betrachtete er sich von allen Seiten in einem goldverzierten Wandspiegel. In der ordentlich gebürsteten Montur machte er eine beeindruckende Figur. Hosen und Rock saßen perfekt. Suchend sah er sich nach seinen Stiefeln um. »Du trägst immer noch den Bernstein an der Lederschnur.« Magdalena ließ erschrocken den Stein los. »Schon damals im Kloster ist er mir aufgefallen«, redete er weiter. »Englund war außer sich, weil er dachte, du hättest ihn gestohlen. Dann aber stellte sich heraus, dass sein Vetter ihn dir als Liebespfand überlassen hat. Englund war also nicht der Einzige, der Eric wichtig war. Ausgerechnet mit einer Frau musste er fortan seine Gunst teilen. Der arme Englund!«
»Eifersüchtig?«, entfuhr es ihr, im selben Moment erschrak sie über ihre Vorwitzigkeit. Schon glitten ihre Finger abermals zu dem Bernstein und drückten ihn fest gegen die Brust. Lindström aber entlockte das nur ein Schmunzeln. »Weißt du eigentlich, dass dein Eric damals sowohl mit den Schweden als auch mit den Kaiserlichen gemeinsame Sache gemacht hat? Eigentlich hat er mit jedem Geschäfte getrieben. Solange der Preis gestimmt hat, war ihm egal, wem er Waffen, Nachschub oder sonst was geliefert hat. Zugehörig hat er sich wohl nirgendwo gefühlt. Und so hält er es noch heute.«
»Woher wisst Ihr das?« Wieder waren die Worte heraus, bevor sie darüber nachgedacht hatte. Seine Bemerkung hatte ihr einen Stich versetzt. Gleichzeitig keimte Hoffnung in ihr auf. »Wie kommt Ihr dazu, das zu behaupten?« Wie beiläufig holte sie die frisch geputzten Stiefel hinter dem Tisch am Bett hervor, baute sich damit vor ihm auf und sah ihn eindringlich an.
Wortlos nahm er ihr die Stiefel aus der Hand und beugte sich vor. Während er mit beiden Händen an dem langen Schacht hantierte, redete er in gepresstem Ton weiter. »Dachte ich doch, dass ihr zwei immer noch miteinander
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