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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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als einziges geblieben war, schien ihr auf einmal verblichen und fadenscheinig.
    »Gegen die Königsberger Damen wirken wir wie Bauersleute«, stellte Carlotta fest und zupfte an ihrem roten Leinenkleid. »Kein Wunder, dass uns die Wirtin vom Grünen Baum so argwöhnisch gemustert hat. Wer so schlecht gekleidet ist wie wir, kann nur auf unehrliche Weise an so viel Geld gekommen sein.«
    Die Feststellung ließ Magdalena auflachen und stehen bleiben. Dabei kümmerte sie sich nicht um die missbilligenden Blicke, die ihnen zugeworfen wurden. »Ein Grund mehr, nicht so rasch wieder im Gasthaus aufzutauchen, mein Kind. Wahrscheinlich wartet dort bereits der Büttel, uns wegen Diebstahls und Betrugs in den Kerker zu werfen.«
    »Besser als wegen Hexerei«, entfuhr es Carlotta, doch im nächsten Augenblick presste sie erschrocken die Hand auf den Mund. »Verzeih«, murmelte sie und senkte den Kopf. »Ich weiß, dass ich damit nicht scherzen soll.«
    Schüchtern hakte sie sich bei Magdalena unter und vermied es in den nächsten Stunden geflissentlich, etwas Ungebührliches zu sagen. Dennoch spürte Magdalena die Beklommenheit, die das Mädchen erfasst hatte. »Schade, dass du dich hier nicht wohl zu fühlen scheinst. Dabei bist du doch auch in Erfurt und Leipzig so gern durch die Straßen gegangen, um dich mit der Umgebung vertraut zu machen.«
    Carlotta erwiderte nichts. Schweigend bestaunten sie das kurfürstliche Schloss, dessen Ausmaße einer eigenen kleinen Stadt gleichkamen, sowie den angrenzenden, nicht minder weitläufigen Schlossteich. Eine erfrischende Brise kräuselte das silbern glänzende Gewässer. Unzählige Enten und Schwäne bevölkerten es. Der Wohlstand der Stadt zeigte sich darin, dass Hausfrauen, Mägde und Kinder sich einen Spaß daraus machten, Brotkrumen und andere Leckerbissen an die Vögel zu verfüttern. »Kaum zu glauben«, entfuhr es Magdalena. »Keine zwei Tagesritte von hier kratzen die Leute vor Hunger den Kalk von den Wänden, und hier wirft man den Vögeln das kostbare Brot zum Fraß vor.«
    »Dort herrscht eben Krieg und hier nicht«, stellte Carlotta fest.
    »Ja, du hast recht.« Wieder einmal betrachtete Magdalena verwundert ihr Kind, das oftmals so abgeklärt wirkte. Mehr und mehr ängstigte sie das. Im gleichen Alter hatte sie mit Rupprecht kühne Streiche ausgeheckt, um die Soldaten im Tross zu ärgern, statt mit Erwachsenen Lebensweisheiten auszutauschen. Wahrscheinlich kam Carlotta zu wenig mit Gleichaltrigen zusammen. Sobald sie wieder einen festen Wohnsitz hatten, musste sich das ändern. Laut fuhr sie fort: »Hier in Königsberg haben sie lange schon vergessen, wie es zugehen kann in der Welt. Daran haben auch die Pest und die Tatareneinfälle vor wenigen Jahren nicht viel geändert. Hier leben sie wie im Paradies und verschwenden keinen Gedanken daran, dass auch das Paradies ein Ende haben kann.«
    Sie zog Carlotta in eine engere Gasse, in der sich Fachwerkhäuser befanden. Nach den weiten Straßen mit Steinhäusern wirkten diese sehr bescheiden, dabei waren auch sie recht ansehnlich. Schräg neigten sich die schweren Obergeschosse in die Straße und hinderten das Sonnenlicht daran, bis zum Boden durchzudringen. Feucht und glitschig war der Lehm, der nicht von steinernem Pflaster bedeckt war. Es roch modrig. Eine Handvoll Hühner pickte nach Würmern. Um sich Durchlass zu verschaffen, verscheuchte eine alte, tief gebeugte Frau das Federvieh mit den Füßen. Eine jüngere Frau kam ihr mit einem Jungen an der Hand entgegen. Sie blieben stehen, um einen Schwatz zu halten. Neugierig spitzte Magdalena die Ohren. Der Klang ihrer Worte faszinierte sie. Zu gern hätte sie gewusst, welche Sprache dies war. Die Aussprache wirkte hart und kehlig.
    »Wo sind wir jetzt, Mutter?« Verwirrt drehte sich Carlotta einmal um die eigene Achse, als sie in eine breitere und hellere Gasse eingebogen waren. »Ich glaube, wir haben uns verlaufen. Wir hätten doch mit Lina zurückgehen sollen.«
    Die Fachwerkhäuser waren wieder in Steinhäuser übergegangen. Auch der Boden war längst wieder gepflastert. Keine Hühner gackerten mehr herum, und auch sonst begegnete ihnen niemand mehr. Eine gespenstische Stille lag über dem lauschigen Viertel.
    »Gib nicht gleich auf! Du bist doch sonst nicht so ängstlich. Was soll uns hier geschehen? Sieh nur, da hinten ist schon wieder eine Brücke.« Erleichtert wies Magdalena nach rechts, wo zwischen den Häuserschluchten das Band des Wassers glänzte. Eine hölzerne

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