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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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über die weiße Schürze, die Haube auf dem grauschwarzen Haar war verrutscht. »Als Lina mittags allein vom Hochamt heimgekommen ist, habe ich mir Sorgen gemacht. Wie könnt Ihr nur so viele Stunden wegbleiben, ohne dass jemand weiß, was mit Euch ist? Ihr seid fremd in der Stadt! Wie leicht hättet Ihr Euch verirren oder in schlechte Gesellschaft geraten können.«
    Kopfschüttelnd führte sie Magdalena und Carlotta zu einem Tisch im rückwärtigen Teil der Stube, wo bereits für sie gedeckt war. Die Kacheln verhießen wohltuende Kühle.
    »Ihr seid fremd in der Stadt?«, wandte sich ein älterer Mann an Magdalena, kaum dass sie sich gesetzt hatte. Er saß ihr schräg gegenüber. »Verzeiht meine Neugier, aber die Wirtin hat mir bereits von Euch erzählt, verehrte Frau Grohnert. Mein Name ist Michel Ferman. Ich bin Kaufmann hier in Königsberg.«
    Halb erhob er sich von seinem Stuhl und deutete eine Verbeugung an. Er mochte um die fünfzig sein und trug die übliche Kaufmannskleidung aus dunklem, feinem Tuch. Als einziges Zugeständnis an die herrschende Mode fiel lediglich der breite Kragen an seinem weißen Leinenhemd auf. Das angegraute Haar und der Bart waren noch wie zu Zeiten seiner Väter frisiert und gestutzt.
    Carlotta horchte auf und schenkte Magdalena einen bedeutsamen Blick, sie aber schüttelte kaum merklich den Kopf. Es missfiel ihr, wie leichtfertig die Wirtin anderen von ihrer Ankunft erzählte und ihren Namen preisgab. Sie beschloss, auf der Hut zu bleiben. Es entging ihr nicht, wie neugierig Ferman sie musterte. Als sich ihre Blicke trafen, blickte er zur Seite und hüstelte verlegen in die Faust.
    Kaum standen die dampfenden Suppenschüsseln vor ihnen, ergriff Ferman abermals das Wort. »Von Frankfurt am Main kommt Ihr also und seid ganz allein bis hierher gereist. Das ist nicht ungefährlich. In Thorn stehen sich mehrere tausend Soldaten aus den verschiedensten Ländern gegenüber.«
    »Ein beeindruckender Anblick.« Magdalena ahnte, dass sich ihr Gegenüber kaum für die Lage des von Schweden besetzten Thorn interessierte. In Wahrheit ging es ihm darum, herauszufinden, auf welchem Weg und mit wessen Hilfe sie als Frau allein nach Königsberg gelangt war und welche Absicht sie in der Stadt verfolgte. Doch bevor sie ihm Auskunft gab, wollte sie erst herausfinden, ob ihm zu trauen war. Als Vertreter der einheimischen Kaufmannszunft konnte sich jeder ausgeben. »Ich bin gespannt, wie lange es die Schweden dort noch aushalten werden.«
    »Oder die polnischen Truppen. Wie man hört, ist der ehrenwerte Sapiha schon ostwärts abgeschwenkt.« Ferman lachte, behielt sie aber weiterhin gut im Auge.
    »Guter Mann, verzeiht meine Offenheit«, fasste sich Magdalena ein Herz. »Die Aufregungen der letzten Wochen stecken meiner Tochter und mir noch in den Knochen. Heute Abend bin ich zu müde, Euch Rede und Antwort zu stehen über das, was wir auf dem langen Weg hierher alles erlebt haben. Lasst uns das Gespräch morgen fortführen. Wenn Ihr mich bitte entschuldigt.«
    Mit einem Lächeln im Gesicht erhob sie sich und verließ mit Carlotta zusammen die Schankstube.
    »Warum hast du die Gelegenheit nicht genutzt und diesen Ferman ausgefragt?« Entrüstet überfiel Carlotta sie mit Vorwürfen, sobald sie ihr Gastzimmer im ersten Stock erreicht hatten. »Anscheinend sitzt seine Familie seit langem hier in Königsberg. Dann muss er deine Vorfahren kennen und uns etwas über sie sagen können.«
    Magdalena schloss erst die Vorhänge und zündete die Lampen an, bevor sie sich ihrer Tochter zuwandte. »Natürlich kann er das. Aber dazu ist auch morgen noch Zeit. Ist dir denn sonst nichts aufgefallen?«
    »Was denn?«
    Sanft strich Magdalena ihr über das störrische, rotblonde Haar. »Du musst noch viel lernen, Kleines. Vor allem, dass man nicht gleich jedem, der einen im Gasthaus anspricht, leichtfertig seine Geschichte erzählt. Dieser Ferman mag harmlos sein und tatsächlich aus der Königsberger Kaufmannszunft stammen. Auch wenn er die besten Absichten verfolgt, ist Vorsicht geboten. Die Wirtin führt etwas im Schilde und hat ihn vorgeschickt, uns anzuschauen. Lass uns abwarten, was sie damit bezweckt.«

5
    Angesichts der vielen Kaufleute im Grünen Baum bat Magdalena darum, die Morgenmahlzeit in ihrem Gastzimmer halten zu dürfen. Kurz darauf erschien die Wirtin bestens gestimmt mit einem reichhaltig beladenen Tablett vor dem drallen Busen und trug ihnen höchstpersönlich die Köstlichkeiten auf. Vergnügt

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