Hexengold
zwinkerte Magdalena ihrer Tochter zu, während die Wirtin den Tisch deckte. Sogar an frische Blumen hatte sie gedacht und tauschte den bunten Strauß in der Vase gegen ein nicht minder farbenfrohes Rosengebilde. Zunächst sagte sie kein überflüssiges Wort. Magdalena merkte, wie ungeduldig Carlotta wurde, und gab der Tochter ein Zeichen, Ruhe zu bewahren.
»Welch schöne Blumen Ihr habt, gute Frau. Dabei gibt es direkt an den Häusern keinerlei Gärten«, plauderte sie drauflos.
Die Wirtin ging sogleich darauf ein. »Nein, die liegen außerhalb der Stadt, aber noch vor dem neuen Befestigungsgürtel, den man gerade baut. Habt Ihr gestern auf Eurem Spaziergang nichts davon gesehen? Ihr müsst einmal hinüber zum Rossgarten gehen oder Euch den Steindamm ansehen. Selbst auf dem Haberberg werdet Ihr schöne Ecken entdecken.«
»Danke, das werden wir sicher noch tun, sobald wir unsere Aufgabe erledigt haben.« Wie zufällig ließ Magdalena den Hinweis fallen. Erwartungsgemäß erwiderte die Wirtin zunächst nichts darauf, sondern rückte schweigend die Becher und Teller zurecht und verabschiedete sich mit einem Knicks.
»Gestattet mir noch eine Frage, Verehrteste.« Schon an der Tür und die Hand auf der Klinke drehte sich die stämmige Wirtin schließlich noch einmal zu ihnen um. »Euer Name kommt mir sehr bekannt vor. Grohnerts gab es hier in der Langgasse schon einmal. Bernsteinhändler waren das. Habt Ihr zufällig mit denen zu tun? Ihr kommt doch, um alte Verwandtschaft zu suchen, nicht wahr?«
Magdalena schmunzelte.
»Ihr kanntet sie besser?« Neugierig stellte Magdalena sich dicht vor die Frau und musterte sie unverhohlen, wie die Wirtin es letztens mit ihr getan hatte. »Es kann sich nur um die Familie meines Gemahls handeln.«
»Dann stammt er also von hier?« Die Wirtin lehnte das Tablett gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Magdalena ahnte, wie wichtig es war, die passenden Informationen als Köder auszulegen, um ihrerseits mit Neuigkeiten dafür belohnt zu werden. Also beschloss sie, erst einmal bei den Grohnerts zu bleiben. Ihre eigene Familie konnte sie später noch einfließen lassen. »Mein Gatte wurde vor knapp vierzig Jahren hier geboren. Seine Mutter war Schwedin, der Vater stammte aus einer alteingesessenen Königsberger Kaufmannsfamilie. Einige Jahre später sind seine Eltern mit ihm nach Magdeburg gezogen, so dass er wenig von seiner Geburtsstadt weiß. An der Elbe fielen seine Eltern im Großen Krieg den Flammen zum Opfer. Er allein hat die schrecklichen Ereignisse um die Magdeburger Hochzeit im Mai 1631 überlebt.« Instinktiv fasste sie an den Bernstein und presste ihn fest gegen die Brust. Fast dreißig Jahre nach der Katastrophe, aus der Eric sie gerettet hatte, brauchte sie diesen Beistand noch immer, um die schrecklichen Bilder im Kopf auszuhalten.
»So hat Gott ihnen also doch noch die gerechte Strafe zuteilwerden lassen.« Leise murmelte die Wirtin das und bekreuzigte sich. Die rosige Farbe war aus ihren Wangen gewichen. Nun schien sie es eilig zu haben, das Zimmer zu verlassen.
Magdalena aber wollte sie nicht gehen lassen. Auch wenn sie offenbar den falschen Ansatz gewählt hatte, durfte sie die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. »Was ist mit Euch? Wofür soll meine Schwiegereltern die gerechte Strafe ereilt haben?«
»Ach, nichts. Das habe ich nur so gesagt.« Die Frau unternahm einen weiteren Versuch, zu verschwinden.
»Nein!« Entschlossen schob sich Magdalena vor die Tür und versperrte ihr mit ausgestreckten Armen den Weg. »Das glaube ich nicht. Ihr könnt jetzt nicht so einfach gehen. Euch ist doch sehr an mir gelegen. Es hat einen guten Grund, wenn Ihr selbst einen alten Mann wie Michel Ferman anstiftet, mich anzuschauen und auszuhorchen. Ich erinnere Euch an jemanden, nicht wahr? Die grünen Augen und die roten Haare sind Euch gleich aufgefallen. Verratet mir, warum. Wenn es nicht die Grohnerts sind, um die es Euch zu tun ist, dann sind es die Singeknechts, nicht wahr?«
»Woher kennt Ihr den Namen?« Misstrauisch musterte die Wirtin sie. Magdalena schien es, als prüfte sie noch einmal jede einzelne ihrer Sommersprossen, begutachtete jede rote Locke, die ihr vom zierlichen Schädel hing. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem runden Gesicht aus. Sie hatte sich durchgerungen, ihrem ersten Gefühl zu vertrauen. »Ja, es stimmt. Eure Haare und die Augen sind mir gleich aufgefallen, dazu Eure zierliche Gestalt. Das kam mir alles
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