Hexengold
Gedenken an die Toten zu Boden. Dann fasste sie sich wieder. »Zunächst haben alle die Grohnerts bedauert. Man hielt sie für die Opfer, die Singeknechts aber für die verwerflichen Täter. Dann aber tauchte Paul Singeknecht wieder auf und brachte ehrbare Zeugen bei, die beweisen konnten, dass der Betrug der Singeknechts fingiert worden war, um sie aus dem Geschäft zu drängen. Sogar denjenigen, den man als Mörder für den armen Lagerarbeiter gedungen hatte, trieb er auf. Beim Leben seiner Mutter schwor der arme Kerl, nicht von den Singeknechts bezahlt worden zu sein. Den wahren Auftraggeber hat er nicht mehr nennen können, bevor man ihn gehenkt hat, zu schnell war er unter der Folter bewusstlos geworden.
Somit war Singeknecht von dem Vorwurf entlastet, und am Ende standen die Grohnerts schlecht da. Sie waren ja diejenigen, die die Singeknechts des Betrugs bezichtigt hatten. Sosehr sie auch beteuerten, selbst nur das weitergegeben zu haben, was andere ihnen zugetragen hatten, so wenig glaubte man ihnen dieses Mal. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als ebenfalls aus Königsberg wegzugehen.
Die Alten verließen gemeinsam mit dem jungen Grohnert und seiner schwedischen Frau sowie dem hübschen Kind, einem rotblonden Knaben, binnen weniger Wochen die Stadt. Niemand hat sich bis heute dafür interessiert, wohin sie gegangen sind. Ihr Haus gleich hier gegenüber ist versteigert worden. Der neue Besitzer hat es abgerissen und ein anderes Gebäude an gleicher Stelle errichtet. Das gehört jetzt den Liebezeits. Paul Singeknecht aber hat zeit seines Lebens versucht, seinen Bruder Joseph wiederzufinden. Nie hat er geheiratet und eine eigene Familie gegründet, immer hat er auf die Rückkehr seines Bruders gewartet. Im Großen Krieg, das wisst Ihr selbst, war es jedoch aussichtslos. Das Einzige, was er je über ihn erfahren hat, ist, dass Joseph sich den Katholischen auf Seiten des deutschen Kaisers angeschlossen und eine brave Frau im Tross gefunden hat. Als der Frieden in Münster verkündet wurde, hat Paul sich so gefreut, weil er geglaubt hat, jetzt würde sein Bruder heimkehren, dass er darüber gestorben ist.«
Noch einmal bekreuzigte sie sich, dann hob sie den Kopf, tätschelte Magdalena den Arm und lächelte sie an. »Schade, dass er nicht mehr erlebt hat, wie sich sein Wunsch nach Familie doch noch erfüllt. Ich denke, nun ist es höchste Zeit, dass Ihr ins Rathaus geht und Eure Ansprüche anmeldet. Wichtig ist, Euren Gemahl mitzunehmen. Nur er kann Euch rechtmäßig vertreten, wie Ihr wisst. Aber das ist kein Problem, Ihr meint ja, er wäre längst hier in Königsberg eingetroffen. Dazu wird man an der Börse Näheres wissen. Bis zum Ende des Monats bleibt Euch ausreichend Zeit, alles zu klären, bevor das Erbe der Gemeinde zufällt. Die will es übrigens zugunsten der Armen und Kranken verwenden und dem edlen Spender ein Denkmal setzen.«
»Was hat es mit Michel Ferman auf sich?«
»Warum?« Die Wirtin war verwirrt. Aus ihrer Sicht war alles geklärt. Es fehlte lediglich der letzte Schritt: Magdalenas Gang zum Rathaus. Dazu aber brauchte Magdalena Eric.
»Nicht von ungefähr habt Ihr ihn gestern zu mir an den Tisch gesetzt. Erstens hat er mich in Augenschein genommen, um Eure Vermutung hinsichtlich meiner Familienähnlichkeit mit den Singeknechts zu bestätigen. Aber wenn er zur Kaufmannszunft gehört, weiß er auch über die Grohnerts Bescheid. Meinen Namen habt Ihr ihm auch deshalb verraten. Meint Ihr, er kann mir helfen, meinen Gemahl zu finden? Wenn ich zur Börse und zum Gildehaus gehe, wird männlicher Beistand nicht schaden.«
»Da habt Ihr recht, Verehrteste.« Das Lächeln war auf das breite Gesicht der Wirtin zurückgekehrt. »Doch der gute Ferman ist nicht geschickt genug, Euch zur Seite zu stehen. Ihr habt selbst gemerkt, wie tolpatschig er sich anstellt.« Sie zwinkerte ihr zu.
»Warum habt Ihr es trotzdem mit ihm versucht?«
»Ganz einfach: Er war der Erste der alten Kneiphofer, der gestern bei mir aufgetaucht ist. Keine Angst, Verehrteste. Vertraut auf das Gefühl der alteingesessenen Königsberger. Sobald man Eure grünen Augen und die roten Haare sieht, weiß man Bescheid. Wenn Ihr dann die Namen Eurer Familien erwähnt, ist auch dem Schwerfälligsten klar, worum es geht. Die Geschichte hat die Leute hier über viele Jahre sehr beschäftigt.«
»Weil niemand sich eingemischt und das Schlimmste verhindert hat«, entfuhr es Magdalena.
»Da habt Ihr sicher nicht ganz unrecht«,
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