Hexengold
bekannt vor. Aber Euer Name wollte nicht so recht dazu passen. Die Grohnerts, wie Ihr selbst gesagt habt, stammen ebenfalls von hier aus der Langgasse. Sie haben sich jedoch nicht eben mit Ruhm bekleckert, bevor sie aus der Stadt verschwunden sind. Und das hängt mit den Singeknechts zusammen. Schon erstaunlich, dass Ihr beide Familien miteinander verbindet, nach allem, was damals passiert ist.«
»Ihr spielt auf diese Fehde an, die meinen Vater aus der Stadt getrieben hat, nicht wahr?«
»Dann seid Ihr also die Tochter des guten Joseph? Ich habe es mir gleich gedacht! Die Singeknechts hatten genau solche roten Locken wie Ihr, Verehrteste. Auch die grünen Augen und die Sommersprossen waren mir vertraut. Als kleines Mädchen habe ich mich viel drüben bei denen herumgetrieben. Sie haben ja nicht weit von hier gewohnt. Ist es möglich? Kaum kann ich es mir vorstellen! Aber jetzt, wo Ihr vor mir steht, mit dem Namen Grohnert in mein Gästebuch eingetragen, andererseits unverkennbar mit den Singeknecht’schen Locken und Augen versehen, gibt es keine andere Möglichkeit: Es ist ein Wunder geschehen! Eine aus dem Haus der Singeknechts taucht nach all den Jahren hier im Kneiphof auf und erzählt, sie hätte einen von den Grohnerts geheiratet. Ich fasse es nicht! Niemand von den alten Kneiphofern wird mir das glauben! Das Schicksal beschreitet wahrlich seltsame Wege.«
Sie schlug sich die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf. Dabei starrte sie Magdalena an wie eine Erscheinung.
Diese rang um Fassung. Halt suchend lehnte sie sich an den Türstock, umklammerte den Bernstein. Zum ersten Mal seit dem Tod ihres Vaters in der Schlacht um Freiburg vor vierzehn Jahren stand sie einem Menschen gegenüber, der ihre väterlichen Ahnen gekannt hatte, der um die furchtbare Geschichte ihrer Familie wusste, von der sie stets nur in Andeutungen erfahren hatte. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken wild durcheinander. Am liebsten hätte sie sich auf die Frau gestürzt und sie geschüttelt, um alles, was sie über ihre Ahnen wusste, gleich auf einmal aus ihr herauszubekommen. Sie hatte das Gefühl, alle Worte wollten auf einen Schlag aus ihrem Mund. Als sie zu reden ansetzte, brachte sie nur ein heiseres Krächzen heraus.
Da löste sich Carlotta aus der Starre, die sie beim Anblick des seltsamen Geschehens erfasst hatte, und eilte zu ihr, um sie zu stützen. Auch die Wirtin überwand ihre Überraschung und streckte ihr die Hand entgegen: »Herzlich willkommen, meine Liebe! Endlich seid Ihr also wieder zu Hause. Schade, dass das Euer alter Onkel nicht mehr erlebt hat. Der wäre vor Freude auf den Tisch gesprungen und herumgetanzt! Nur, dass Ihr ausgerechnet einen Grohnert geheiratet habt, das hättet Ihr ihm äußerst schonend beibringen müssen, ausgerechnet der Sohn
des
Grohnerts, dessentwegen Euer Onkel fast gestorben wäre.«
»Erzählt mir doch endlich alles«, hauchte Magdalena leise und schleppte sich zum Tisch. Carlotta stellte sich dicht neben sie und legte ihr den Arm schützend um die Schulter.
»Was gibt es da groß zu erzählen? Dass Paul Singeknecht, Euer Onkel, gestorben ist, wisst Ihr wohl. Warum sonst taucht Ihr hier auf? Zehn Jahre ist das nun schon her. Wahrscheinlich seid Ihr hier, um das Erbe anzutreten, nicht wahr? Es hieß immer, Pauls Bruder, also Joseph, der nach Pauls Verschwinden die Stadt verlassen und sich zu den Soldaten gemeldet hat, hätte ein Kind. Das zu finden, haben die Männer aus der Gilde viele Jahre lang versucht. Irgendwer hat schließlich Josephs Witwe in Köln ausfindig gemacht und sie benachrichtigt. Das liegt aber auch schon Jahre zurück. Eine Antwort ist bis heute nicht eingetroffen. So steht also das Singeknecht’sche Haus seit langem leer. Ihr müsst es Euch nachher unbedingt ansehen. Es ist eines der prächtigsten hier in der Straße. Ihr findet es auf halbem Weg zur Krämerbrücke hinunter und erkennt es an dem goldenen Zierat und dem schönen Neptun oben auf dem Dach. Die Kaufmannsgilde kümmert sich darum. Wenn über den Sommer keine Nachricht von dem angeblichen Nachfahren mehr kommt, wird es verkauft und der Erlös dem Hospital gespendet. So ist es vom Rat verfügt. Aber jetzt, wo Ihr da seid, wird sich alles regeln. Als einziges überlebendes Kind von Joseph steht Euch alles zu. Dass Ihr diese gesuchte Ahnin seid, sieht man auf den ersten Blick. Seine roten Haare und die grünen Augen habt Ihr unzweifelhaft geerbt, das ist gar keine Frage, Verehrteste.«
Langsam fügte
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