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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Männerstimme vernehmen. Erschrocken fuhr Magdalena herum. In dem lauten Hämmern und Klopfen der Bauarbeiter sowie dem steten Rufen der Krämer hatte sie nicht bemerkt, dass sich jemand genähert hatte.
    Der weißbärtige Mann zog den Hut und verneigte sich leicht. Die grauen Augen blickten freundlich, das runde Gesicht und die füllige Gestalt verrieten die Vorliebe für das gute Leben. »Gestattet, Verehrteste, dass ich mich vorstelle: Ich bin Martenn Gerke, einer der Ratsherren der Stadt und Mitglied der Kaufmannszunft. Wir kümmern uns um dieses wundervolle Anwesen. Jeden Tag morgens und abends führt mich mein Weg hier vorbei, um auf dem Gang zur Börse nach dem Rechten zu sehen. Leider ist der Besitzer vor langer Zeit verstorben, und es ist nicht klar, ob sich noch ein rechtmäßiger Erbe findet.«
    »Da müsst Ihr Euch keine Sorgen mehr machen.« Magdalena erwiderte sein Lächeln. Die Ratschläge der Wirtin im Ohr fasste sie sogleich Zutrauen zu dem biederen Mann. »Mein Name ist Magdalena Grohnert, mein Vatersname lautet Singeknecht. Joseph Singeknecht, der jüngere Bruder des verstorbenen Hausbesitzers Paul, war mein Vater. Leider ist er in der Schlacht um Freiburg vor vierzehn Jahren gefallen.«
    »Oh«, entfuhr es dem Ratsherrn. »Eure roten Locken und die smaragdgrünen Augen haben mich sogleich an die Singeknechts erinnert. Ferman hat mir vorhin schon angedeutet, dass eine Dame mit den Singeknecht’schen Augen und Haaren in der Stadt weilt. Die Wirtin des Grünen Baums hat gestern bereits Erkundigungen eingezogen. Deshalb habe ich gewagt, Euch anzusprechen. Mein Gefühl hat mich also nicht getrogen. Ich habe die Richtige entdeckt: die letzte Erbin des armen Paul Singeknechts. Wie hätte er sich gefreut, Euch kennenzulernen, Verehrteste.«
    Gerührt blickte er zu Boden. Dann gab er sich einen Ruck, setzte den Hut wieder auf und musterte sie wohlgefällig. Jetzt erst erspähte er auch Carlotta, die sich einige Schritte abseits hielt und ebenfalls das Anwesen bewunderte. »Eure Tochter, vermute ich? Sie hat die Singeknecht’schen Locken geerbt.«
    Um seine Mundwinkel zuckte es, er schaute rastlos zwischen ihnen beiden hin und her und schien nach den richtigen Worten zu suchen.
    Magdalena entschloss sich, ihm aus der Verlegenheit zu helfen. »An ihr erinnert Euch auch so manches an eine zweite Königsberger Familie, nicht wahr?«
    »Nun ja.« Er zwirbelte die Enden seines grauen Bartes und versank in der Betrachtung seiner modischen Schnallenschuhe. »Den Namen führt Ihr ja inzwischen.«
    »Aber Euch behagt es nicht, ihn in den Mund zu nehmen. Doch grämt Euch nicht. Es gibt keinen Grund, die Grohnerts zu missachten. Seht meine Tochter an. Sie hat genauso viel von den Grohnerts wie von den Singeknechts. Das Schicksal hat unsere Familien fern von Königsberg wieder zusammengeführt. Und das kam nicht von ungefähr. Ich selbst habe nur Gutes von den Grohnerts erfahren. Mein Mann hat mich einst aus dem brennenden Magdeburg herausgeholt und mir das Leben gerettet. Da waren wir beide noch Kinder. Lange Zeit haben wir uns danach aus den Augen verloren, dann aber wieder getroffen und ineinander verliebt. Mein Vater …« Sie stockte. Unerwartet überfiel sie eine sorgsam verdrängte Erinnerung: die an den sterbenden Vater, oben auf dem Slierberg nahe Freiburg. Kurz vor seinem Tod hatte er sie nachdrücklich vor Eric gewarnt. Sie aber hatte ihm den erflehten Schwur, von ihrer Liebe zu lassen, nicht leisten können, sondern der Stimme ihres Herzens folgen und bei Eric bleiben müssen. Verschämt wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Das Schicksal hatte es so gewollt. Nur weil sie bei Eric geblieben war, hatte sie am Ende zu den Wurzeln ihrer beider Familien zurückgefunden. Sie fasste an den Bernstein unter ihrem Mieder. Auch die endgültige Aufklärung der jahrzehntelangen Fehde würde dadurch möglich. »Mein Vater würde sich freuen, dass es uns endlich gelungen ist, die alten Streitigkeiten zu überwinden. Wir werden die letzten Zweifel an der Unschuld der Grohnerts aus dem Weg räumen und künftig gemeinsam das Erbe unserer Väter hier in Königsberg fortführen.«
    »Ein hehres Unterfangen.« Gerke gab sich plötzlich kühl, trotz des aufwühlenden Bekenntnisses und der Rührung, die er eben noch empfunden hatte. »Ihr wisst sicherlich, dass in wenigen Wochen die Frist für die Übergabe des Erbes ausläuft. Zuvor müsst Ihr Euch als rechtmäßige Erbin noch legitimieren. Ihr benötigt dazu nicht

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