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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Frieden selbst zehn Jahre nach Kriegsende ein kaum vorstellbarer Zustand ist. In den gebeutelten Städten und Dörfern findet man kaum Kraft, den notwendigen Wiederaufbau zu leisten. Immer wieder fallen marodierende Räuberbanden ein, die das eben Errichtete zerstören. Vielen erscheint es deshalb sinnlos, überhaupt etwas wieder herzurichten.
    Die Soldaten und ihre im Heerestross lebenden Angehörigen können noch weniger mit dem erreichten Frieden anfangen. Für viele von ihnen bedeutet er sogar ein großes Unglück, verdienen sie ihren Lebensunterhalt doch mit dem Krieg. Ein Teil der Söldner sucht sich neue Kriegsherren, um das vertraute Söldnerdasein unter anderer Fahne fortzuführen. Neue Kriege gibt es – trotz der Bemühungen von Münster – mehr als genug. Andere schließen sich zu Räuberbanden zusammen und führen auf diese Weise das soldatenähnliche Leben fort. Sie plündern, marodieren und malträtieren die Bevölkerung, wie sie es aus Kriegszeiten gewohnt sind. Wieder andere versuchen tatsächlich die Rückkehr in eine friedliche Existenz als Handwerker, Bauer oder Kaufmann. Oft bleibt es beim Versuch. Die meisten Trossleute können zwar eine ordentliche Berufsausbildung vorweisen, gab es im Heerestross doch die unterschiedlichsten Gewerke mit klar formulierten Handwerksordnungen. Außerdem sind dank der gewaltigen Bevölkerungsverluste Arbeitskräfte Mangelware. Was den früheren Trossleuten jedoch fehlt, ist die Fähigkeit, auf Dauer ein geregeltes Leben an einem festen Ort zu führen. Zu lange sind sie im Land umhergezogen, haben sich im dauerhaften Unterwegssein eingerichtet und sich den stets wechselnden Lebensbedingungen immer wieder nur vorübergehend angepasst. Darüber sind ihnen die gesellschaftlichen Lebensformen in Städten und Dörfern fremd geworden.
    In besonderem Maße trifft das auf die Frauen aus dem Heerestross zu: Viele von ihnen haben einen ordentlichen Beruf ergriffen und unabhängig von männlichem Beistand ein selbstbestimmtes Leben geführt. Mit Kriegsende beginnt für sie die eigentliche Herausforderung. Nicht nur im politischen System vollzieht sich in jenen Jahren ein tiefgreifender Wandel. Auch die sozialen Rollen und Positionen werden neu verteilt. Die Frauen werden – anders als noch im ausgehenden Mittelalter – zunehmend aus dem öffentlichen Leben gedrängt und auf die Rolle als Hausfrau und Mutter beschränkt. Wer die gewohnte Eigenständigkeit behalten will, begibt sich entweder in eine gesellschaftliche Außenseiterrolle oder sieht sich dem fortwährenden Kampf um Anerkennung ausgesetzt. Einige Frauen finden in der strengen Gesellschaftsordnung des Absolutismus eine Nische, innerhalb derer sie ihr Dasein weiterhin eigenständig gestalten können: als geachtete Herrscherinnen, kluge Mätressen, gefeierte Künstlerinnen oder bewunderte Dichterinnen sind manche dieser Frauen in die Geschichtsbücher eingegangen.
    Die meisten dieser Ausnahmefrauen aber führen ihr Leben unauffällig, ohne dass die Nachwelt von ihnen erfährt. Die Bernsteinhändlerin Magdalena, zentrale Figur dieses Romans, ist eine von ihnen. Lange fällt es ihr schwer, sich nach dem unsteten Leben im Heerestross an das biedere Dasein als Kaufmannsgattin zu gewöhnen. Dann aber findet sie einen Weg, sich weiterhin aktiv am Leben rund um das Kontor ihres Mannes zu beteiligen. Es gelingt ihr sogar, den Wundarztberuf weiter auszuüben, ohne gesellschaftlich ins Abseits zu geraten. Als sie unerwartet von einem Familienerbe im fernen Königsberg erfährt, bietet sich ihr gar die große Chance, noch einmal ganz von vorn zu beginnen. Ihr Schicksal ist – ebenso wie das der übrigen Romanfiguren – frei erfunden. Nicht frei erfunden jedoch sind die Umstände, in die ihre Geschichte eingebettet ist.

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    Glossar
    Altstadt: älteste der bis 1701 selbständigen drei Städte, die das eigentliche Königsberg bilden; 1255 als Residenz des Ordensstaates und späteren Herzogtums Preußens gegründet, Sitz des kurfürstlichen Schlosses; hieß zunächst »Königsberg« und wurde erst ab etwa 1300 (Entstehung der »Neustadt« Löbenicht) zur Unterscheidung von der Neugründung im Osten als »Altstadt« bezeichnet
    Beischlag: erhöhter, terrassenartiger Vorbau eines Gebäudes, der den Eingang und das Erdgeschoss vor Hochwasser schützte. Im siebzehnten Jahrhundert in Königsberg und Danzig vor allem an den reichen Kaufmannshäusern üblich. Der ursprünglich offene und mit einem Geländer versehene Vorbau

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