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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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doch nur um seiner eigenen Geschäfte willen nach Königsberg zurückgekehrt war. Schweren Herzens wiederholte sie das Vaterunser und hoffte für Erics Seele, im Jenseits mochte es keine Schwendtage mehr geben. Nur mehr glückliche Lostage sollten ihm dort beschieden sein, die alle Verwicklungen seines Lebens restlos auflösten. Getröstet verließ sie das Gotteshaus.
    Auf dem weitläufigen Platz rund um den Kneiphofer Dom herrschte drückende Hitze. Die Krämer hockten träge in ihren stickigen Buden und warteten auf Kundschaft. Kaum einer der Mägde und Bürgersfrauen wagte sich jedoch aus dem Haus. Das Obst und Gemüse, das in den Körben auslag, welkte schneller dahin, als der Tag zur Neige gehen konnte. Der faulig süßliche Geruch zog Tausende von Mücken an. Vor dem lästigen Surren gab es kein Entkommen. Am nahen Collegium kündeten die Glocken die vierte Nachmittagsstunde an. Augenblicke später fiel das Domgeläut dumpf in das dröge Schlagen ein. Magdalena beschleunigte die Schritte, um zum Markt zu gelangen. Die dichte Reihe der vorkragenden Steinhäuser, die ihn umsäumte, versprach kühlenden Schatten.
    »Verehrte Frau Grohnert, so wartet doch!« Aus dem Nichts tauchte eine leidlich groß gewachsene Männergestalt auf, das Gesicht zunächst vom dunklen Schatten verborgen. Magdalena schreckte zurück. Die Stimme würde sie immer und überall erkennen, haderte allerdings noch, ob sie sich freuen oder grämen sollte. Viel zu oft hatte sie sich den melodiös sonoren Klang in den letzten Wochen vergeblich in Erinnerung gerufen. Ihre Finger glitten zum Hals, dorthin, wo sie seit Erics Tod den Bernstein seines Vetters Englund trug. Sie hatte ihn in Erics karger Hinterlassenschaft gefunden und sogleich als Zeichen ihrer ewigen Verbundenheit betrachtet.
    »Helmbrecht, Ihr?«, brachte sie schließlich hervor. Schon versank der Blick ihrer smaragdgrünen Augen in dem dunklen Bernsteinton, der die seinen beherrschte. Im sanften Nachmittagslicht wirkten die dunklen Sprenkel wie Einschlüsse im Stein. Die riesige Nase sprang nicht so weit hervor, auch die hässlichen Narben, die seine Wangen zierten, verloren an Bedeutung angesichts des Glanzes, den seine Augen verströmten.
    Beschämt senkte sie den Blick. Vor wenigen Augenblicken erst hatte sie an Erics Grab gestanden und für seine arme Seele gebetet. Wie treulos von ihr, sich kurz darauf im Anblick eines anderen Mannes zu verlieren.
    »Verzeiht meine Tollkühnheit, Euch mitten auf der Straße anzusprechen.« Sanft zog Helmbrecht sie in die halbrunde Nische eines Beischlags und schirmte sie mit seinem Rumpf gegen die Straße hin ab. Gerade wollte sie sich gegen diese ungebührliche Vertrautheit verwahren, da bemerkte sie das Hufgetrappel eines Pferdes. Gefährlich dicht trabte es an ihnen vorbei. Helmbrecht hatte sie vor dem Zusammenprall bewahrt. Dankbar lächelte sie ihn an.
    »Wollen wir ein Stück gemeinsam gehen?«, schlug er vor und wies mit dem Hut in der Hand ostwärts, den Markt hinunter. Sie nickte. »Erzählt mir, wie Ihr mich gefunden habt. Wie ist es Euch in den letzten Monaten ergangen? Habt Ihr meine Base mitgebracht? Wo sind die Pohlmanns?« Sie merkte selbst, wie überhastet die Fragen aus ihr heraussprudelten. »Entschuldigt, aber es verwirrt mich, Euch plötzlich hier zu treffen. Letztens hatte ich den Eindruck, Euch in der Börse gesehen zu haben. Ein paar Tage später schien mir, als wärt Ihr an der Lastadie bei den Schiffen aus Danzig unterwegs. Aber immer, wenn ich näher kommen und denjenigen, den ich für Euch hielt, ansprechen wollte, war er verschwunden. Nicht einmal die hiesigen Zunftgenossen vermochten mir Auskunft über Euren Verbleib zu geben. Dabei rechneten alle seit Anfang Juni mit Eurer Ankunft und waren besorgt, keine Nachricht über Euren Verbleib zu erhalten.«
    »Eurem Eifer entnehme ich, dass Euer Groll mir gegenüber verflogen ist. Sonst würdet Ihr nicht gehofft haben, mich hier in Königsberg wiederzutreffen.« Ein Lächeln trat auf sein glattrasiertes, von der Sonne gebräuntes Gesicht. Dabei ließ er offen, ob er schon länger in der Stadt weilte oder nicht.
    Sie spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen, und wandte sich ab. »Was sollte ich Euch noch grollen?«, log sie und bemühte sich um einen gleichgültigen Ton. Bei der Erinnerung, wie er ihr angesichts von Adelaides wüsten Beschimpfungen nicht beigestanden hatte, erzitterte sie jedoch noch immer. Seine Feigheit ließ sich nur schwer mit seiner Mission in

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