Hexengold
zu hören, ebenso deutlich vernahm sie kurz darauf dunkle Männerstimmen. Offenbar begehrten mehrere fremde Herren Einlass.
Adelaide erhob sich und versuchte, aus einem Fenster nach draußen zu spähen. In der angebrochenen Dämmerung machte sie drei große, dunkle Schatten aus. Ohne sich mit weiteren Höflichkeitsformeln aufzuhalten, verlangten die Fremden noch einmal gebieterisch, direkt zur Hausfrau geführt zu werden. Adelaide wandte sich um und reckte das Kinn. Derart ungebührliches Auftreten war sie nicht gewohnt.
»Du hältst dich im Hintergrund«, wies sie Mathias an und drängte ihn in die Zimmerecke rechts neben dem Kachelofen. »Hier werden dich die Besucher nicht gleich entdecken.« Er wollte widersprechen, sie aber fuhr ihm über den Mund. »Wir haben keine Zeit für Streitereien. Mein Gefühl rät mir, dass es besser ist, wenn sie dich nicht sofort bemerken.«
Schon führte Emma die Fremden in die Stube. »Diese Herrschaften wünschen Euch dringend zu sprechen.« Emma senkte den Kopf und knickste tief. Unterdessen warteten die Besucher nicht einmal ab, bis sie hereingebeten wurden. Die hünenhaften schwarzen Gestalten füllten sogleich den niedrigen Raum und entschuldigten sich nicht einmal für die unangemeldete Störung. Schüchtern räumte Emma die Suppenteller zusammen und schlich aus der Stube. Adelaide zog kurz die Augenbrauen nach oben, dann wandte sie sich selbstbewusst den Eindringlingen zu.
Der Kleidung nach handelte es sich um wohlhabende Kaufleute. Einer nach dem anderen setzte den kegelförmigen Hut ab, Regentropfen spritzten durch die Luft. Auch in den Bartspitzen der Herren glitzerte das Nass. Missbilligend nahm Adelaide das zur Kenntnis und wartete auf eine Erklärung. Längst war sie sich sicher, keinem von ihnen je zuvor begegnet zu sein. Bedächtig sortierte sie das schwarze Haar, strich einige Strähnen hinter die Ohren und rieb sich fröstelnd die Hände.
»Hochverehrte Frau Steinacker«, einer der drei Männer mit einem tiefen Bass und hellbraunem Haar, der sich zwei Schritte vor die anderen beiden stellte, übernahm den Part des Wortführers. »Nehmt meinen aufrichtigsten Dank, dass Ihr uns zu so später Stunde ohne Voranmeldung empfangt.«
Mit seinem rechten Schnallenschuh vollführte er einen unbeholfenen Kratzfuß und verbeugte sich tief. Den Hut hielt er dabei wie einen Schutzschild vor dem Körper. Als er sich aufrichtete, funkelten die grünen Augen kühn aus dem blassen, bartlosen Gesicht. Stirnrunzelnd betrachtete Adelaide ihn genauer. Als Mantel diente ein hüftlanger Umhang aus schwerem, dunklem Tuch. Darunter trug er ein kaum taillenlanges, reich mit Rosenranken durchwirktes Wams über einem mit mehreren Seidenvolants verzierten blütenweißen Hemd. Selbst aus den Ärmelaufschlägen blitzten üppige weiße Spitzen. Die faltenreiche Rheingrafenhose täuschte nicht über die langen, storchenähnlichen Beine hinweg. Dass er bei solch hartnäckig schlechtem Wetter Schnallenschuhe trug, unterstrich, wie sehr er sich dem Diktat der Mode verpflichtet fühlte.
Adelaide zog die Augenbraue hoch. Bei Frauen zeigte sie für solches Gebaren Verständnis, bei Männern empfand sie es als geckenhaft. Sie schürzte die Lippen und ärgerte sich, nicht etwas Farbe auf die Wangen aufgetragen zu haben. Das hätte ihr vor diesen Stutzern ein besseres Gefühl verliehen. »Was kann ich für Euch tun?« Die knappe Frage kaschierte nur schlecht ihren Unmut. Langsam ging sie hinter das Stehpult und legte die gefalteten Hände darauf. Je ungenierter die Herren sie musterten, desto direkter betrachtete sie ihrerseits die Eindringlinge.
Als wollten sie mit ihren Leibern eine Mauer zwischen Pult und Tür errichten, hatten sich die Herren in einer Reihe aufgestellt. Derjenige zur Linken des Wortführers hatte sich nicht nur für eine noch faltenreichere Rheingrafenhose mit bunten Bandschluppen unterhalb der Knie entschieden, sondern trug auch eine von aufwendigen Spitzen eingefasste weiße Fallkrause um den Hals. Der Stoff von Wams, Rock und Hosen war von feinen Mustern durchwirkt. Lediglich der dritte Herr hielt offenkundig mehr von einem eigenen Stil. Locker hatte er einen von Bordüren und Knöpfen verzierten Rock über die Schultern geworfen. Darunter wurde ein schlichtes weißes Seidenhemd sichtbar, die Kniehosen endeten in ledernen Stulpenstiefeln. Der gute Stoff und die tadellose Passform verrieten eine äußerst sorgfältige Verarbeitung. Allen klebten Reste von Straßendreck an
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