Hexengold
Geplänkel über die Kleiderfrage bestätigte Magdalena, was sie vorhin gedacht hatte: Wie harmlos Adelaide wirklich war, wie sehr sich ihr Tun darauf richtete, Anerkennung und Zuneigung zu erfahren.
»Ich weiß«, fuhr Adelaide fort, »dass ich noch über Monate Trauerkleidung tragen muss. Aber schau mich an!« Sie zupfte an dem Rock aus schwerem schwarzen Samt und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Selbst aus der vorgeschriebenen Witwentracht lässt sich so einiges machen.« Keck setzte sie sich die Schnebbe aus schwarzer Spitze aufs Haupt und griff sich den Mantel, der über dem Treppengeländer lag. Ein glänzendes Seidenband zierte ihn um die Ärmelaufschläge. »Also lass uns nicht am falschen Ende sparen.«
Arm in Arm verließen sie das Haus.
»Du hast recht«, griff Magdalena die Unterhaltung wieder auf. Sie waren bereits an der Kannengießergasse vorbei und bogen nach rechts in die Dominikanergasse ein, in der sich das Haus des Schneiders befand. »In den kommenden Wochen müssen wir besonders darauf achten, welches Bild wir abgeben. Schlimm genug, dass die beiden Schreiber nach ihrer Entlassung vor zwei Wochen in den Sachsenhäuser Wirtshäusern so manches aus dem Kontor herumerzählen. Auch wird auffallen, dass wir Renata aus dem Dienst entlassen und keine neue Magd mehr für sie einstellen.«
»Warum? Dass Renata geht, ist nur recht. Schließlich heiratet sie und bringt im Mai schon ihr Kind zur Welt. Es war großherzig genug, dass du sie den Winter über noch behalten hast. Dass sich ihr Verlobter im letzten November beim Abladen im Hof verletzt hat, hat Eric schon genug Geld gekostet. Sich dafür gleich den gesamten ersten Hausstand bezahlen zu lassen und trotz des lahmen Beins weiter als Ablader bei euch arbeiten zu dürfen spricht für eure Großmut.«
»Immerhin trägt Eric Mitschuld daran, dass der Flaschenzug morsch war und zerbrochen ist. Fortan aber werden wir uns keine zweite Magd mehr leisten können. Das wird auffallen. Hedwig muss sich mit Mechthilds Hilfe begnügen. Auch Carlotta wird mehr im Haushalt helfen müssen.«
»Das wird unsere liebe Hedwig nicht freuen.« Adelaide klang nicht sonderlich mitleidig. »Carlotta aber wird es guttun, wenn sie mehr im Haus eingespannt wird. Sie kommt dann nicht mehr so leicht auf törichte Gedanken.«
»Wie zum Beispiel den, Mathias’ Rechnungen im Kontor nachzuprüfen.« Magdalena konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen. »Nichts für ungut«, schob sie rasch nach. »Mathias macht sich prächtig. Carlotta ist halt eine leidenschaftliche Kaufmannstochter und hat ihm einige Jahre im Kontor voraus.«
Unwillig schnaufte Adelaide, dann aber zog sie Magdalena weiter. Je länger sie draußen unterwegs waren, desto unerträglicher wurde die Kälte. Unbarmherzig pfiff der eisige Wind durch die Straßen und biss sich auf den ungeschützten Wangen fest. Gelegentlich hauchten sie in die behandschuhten Hände. Es nützte wenig. Die Fingerspitzen schmerzten. Auch die Füße hatten sich längst in Eisklumpen verwandelt. Das Stroh zwischen Füßen und Sohlen stach bei jedem Schritt, wärmte aber kaum. Unbarmherzig kletterte die Kälte unter den Röcken nach oben.
Auch im Haus des Schneiders fanden sie kaum Gelegenheit, sich aufzuwärmen. In der Werkstatt war zwar eingeheizt, doch all die Gesellen, Lehrbuben, Kinder sowie Hausfrau und Magd ließen die Luft so dick werden, dass man kaum atmen konnte. Die Feuchtigkeit vom Plätten der Stoffe erschwerte das noch zusätzlich. Dankbar ließen sie sich deshalb in eine kleine Stube führen. Dort war es kalt und düster. Es gab keinen Ofen, und die Schicht Eisblumen an den Fenstern schloss einem dicken Vorhang gleich das Sonnenlicht aus. Dafür bekamen sie wenigstens ausreichend Luft, ihr Anliegen vorzutragen.
»Macht Euch keine Sorgen, Verehrteste«, zeigte sich der Schneider beflissen, ihren Wünschen nachzukommen. »Aus dem schönen Ballen Stoff, den Hermann mir bereits gebracht hat, werde ich mit einigem Geschick gewiss noch ein zweites Kleid für Eure Tochter sowie einen Rock für Euch selbst gewinnen. Glücklicherweise seid Ihr beide von zierlichem Wuchs. Da bleibt noch ausreichend übrig.« Seinen Worten zum Trotz wirkte sein Lächeln falsch und säuerlich. Katzbuckelnd geleitete er sie zur Tür. »Bis Anfang der Woche sind die Gewänder fertig.«
»Der ärgert sich heftig, die Reste deines Stoffs nun auch für dich oder vielmehr Carlottas Kleid verwenden zu müssen«, stellte Adelaide fest, als sie
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