Hexengold
aus schwarzer Spitze, die ihr als Kopfbedeckung diente, hielt sie noch in der Hand. Das schwarze Haar musste sie eben erst mit Essigwasser gewaschen haben. Betörend glänzte es im Licht der Sonnenstrahlen, die durch das rückwärtige Hoffenster fielen. Strähne für Strähne lag streng frisiert am Schädel an. Die Augenbrauen waren frisch gezupft, die Lippen sorgfältig rot nachgezogen. Lavendelduft hüllte sie ein. Ihre Erscheinung war wie immer tadellos. Unwillkürlich schüttelte Magdalena ihre roten Locken. Im Haus pflegte sie das Haar stets offen zu tragen. Geschickt wand sie ein Band darum, um es besser unter dem Schal zu verbergen.
»Dir ist doch nicht etwa zu kalt, um das Haus zu verlassen, meine Liebe?« Unverhohlen musterte Adelaide sie von Kopf bis Fuß und lächelte spöttisch, als sie den dicken Wollschal bemerkte. »Ich dachte, du bist im Heerestross aufgewachsen und so manche Unbequemlichkeit gewöhnt. Mir hast du erzählt, dass ihr Trossfrauen selten eigene Mäntel hattet und euch in Decken gehüllt im Planwagen deines Lehrmeisters verkrochen habt, um der Kälte zu trotzen. So verzärtelt kannst du doch jetzt nicht sein, dass dir das bisschen Winter da draußen den Gang zum Schneider verleidet?«
»Es ist nicht die Kälte«, erwiderte Magdalena und wickelte die Heuke eng um den gertenschlanken Körper. Den Wollschal hielt sie weiter in der Hand. Damit sie ihn draußen als warm genug empfand, wollte sie ihn nicht bereits in der Diele umlegen. »Die harten Wochen sehe ich deshalb auf uns zukommen, weil Eric mir heute früh eröffnet hat, dass er bereits Mitte März gemeinsam mit Diehl, Imhof und Feuchtgruber nach Süden aufbrechen will. Bis dahin sollten wir jeden Kreuzer zweimal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben. Eric braucht nicht nur eine neue Reiseausstattung. Vergiss nicht, bei dem Raubüberfall im letzten Herbst wurde er sämtlicher Utensilien beraubt. Sogar seinen treuen Rappen hat er eingebüßt, also muss er sich auch ein gutes Reitpferd anschaffen. Mit jedem Tag wird die Lage im Kontor enger. Du weißt so gut wie ich: Ohne ausreichend Barschaft braucht Eric gar nicht erst nach Venedig zu reisen. Unvorstellbar, dass er unterwegs seine Unterkünfte nicht bezahlen kann und wie ein Fuhrknecht im Stroh nächtigen muss!«
»Unvorstellbar«, wiederholte Adelaide spöttisch, gemahnte sich jedoch zur Zurückhaltung und fuhr in ruhigerem Ton fort: »Einfach unvorstellbar, dass ihn seine Zunftgenossen bei diesen Anschaffungen im Regen stehen lassen. Einmal die Woche stecken die vier schließlich die Köpfe zusammen und schmieden Reisepläne. Umso wichtiger ist es, meine Liebe«, verschwörerisch hakte sie sich bei Magdalena unter und zog sie etwas abseits der Treppe, »dass auch wir anderen Haltung bewahren.«
Magdalena zog die Stirn in Falten. Als sie Adelaides hochnäsigen Blick erkannte, entschloss sie sich zu einem Schmunzeln. Sie hatten einander in den letzten acht Jahren gut genug kennengelernt, um zu wissen, was sie voneinander dachten. Amüsiert sagte sie: »Du willst mir doch nicht etwa einen Vortrag darüber halten, dass ich gerade in Zeiten, in denen die Geschäfte meines Gemahls schlecht gehen, besonders auf meine äußere Erscheinung achten sollte? Dass ich mir nie und nimmer die drängende Not ansehen lassen darf?«
Im Widerschein von Adelaides Pupillen entdeckte sie das Funkeln ihrer eigenen, smaragdgrünen Augen. »Keine Sorge, das ist mir klar. Sowenig man einem zerlumpten Kaufmann über den Weg traut, wird man auch die nachlässige Kleidung der Kaufmannsfrau nicht übersehen.«
Adelaide reckte die Nase in die Luft und erklärte: »Dann lass uns zur Tat schreiten und den Schneider aufsuchen.«
»Du hast recht. Wenn wir jetzt nicht gehen und die neuen Kleider in Auftrag geben, ist es damit auf lange Zeit vorbei. Eric wird die letzten Ballen Stoff zu Geld machen und sich nicht darum scheren, dass er sie uns Frauen versprochen hat.«
»Denk nur einen Schritt weiter, meine Liebe«, ergänzte Adelaide. »Wie willst du als ehrbare Kaufmannsfrau bei der Ostermesse in Sankt Bartholomäus ohne neues Gewand dastehen? Ein frisches Band oder ein auffälliger Umhang macht nicht genug her. Ganz zu schweigen davon, wie es aussieht, wenn auch Carlotta nur ein aufgeputztes Kleid aus dem letzten Jahr trägt. Gleich wird es Gerede geben, wie schlecht es um das Kontor bestellt ist und wie wenig es genutzt hat, dass die Zunftgenossen Eric alle erdenkliche Unterstützung angeboten haben.«
Das
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