Hexengold
erlaubt.«
»Das ist es ja, was mich belastet. Mathias und ich sind euch eine große Last. Deshalb will ich endlich mein Scherflein beitragen und das letzte Andenken versetzen, das mir von Vinzent geblieben ist.« Plötzlich schluchzte sie auf. »Außer euch habe ich keine Verwandten, die ich um Hilfe angehen kann. Mit Vinzent ist der einzige Mensch auf Erden gestorben, der für mich gesorgt hat. Mein Sohn aber muss essen und ausgestattet werden. Das kann und will ich euch nicht mehr länger zumuten.«
»Was redest du da für einen Unsinn? Bei uns im Haus ist stets für euch gesorgt. Abgesehen davon verwaltet Eric Mathias’ Anteil am Kontor. Es steht euch also zu, im Haushalt mitzuleben. Eines Tages werden wir das gegenrechnen. Bis dahin aber sei unbesorgt. Wir sind für euch beide da.«
»Sei ehrlich, meine Liebe. Mathias und ich belasten euch sehr. Und was den Anteil am Kontor betrifft: An etwas, das nicht mehr viel wert ist, gibt es auch nicht viel zu verwalten oder später gar aufzurechnen.«
»Sieh das nicht so schwarz. In einigen Monaten kann die Lage schon wieder ganz anders aussehen. Wozu sonst haben wir uns zusammengetan?« Aufmunternd tätschelte Magdalena ihr den Arm.
»Leider aber müssen wir diese Monate irgendwie überstehen, und deshalb schadet so eine kleine Summe Bares gewiss nicht.« Adelaide zog die Augenbrauen hoch. »Was ist eigentlich mit deiner Familie?« Als wäre das Vorhaben erledigt, zog sie Magdalena von Finkelsteins Eingang weg.
»Meine Familie?« Magdalena brauchte einen Moment, um zu verstehen, worauf sie hinauswollte. »Ich habe nur noch diesen Vetter in Köln. Fassbindermeister ist er, wie schon sein Vater, der einzige Bruder meiner Mutter. Nach dem Tod meines Vaters ist sie zu ihm nach Köln gezogen, aber leider recht bald gestorben, genau wie mein kleiner Bruder Fritz.« Sie legte eine Pause ein, um der Toten zu gedenken. Endlich hob sie wieder den Blick und erklärte entschlossen: »Von der Seite ist keine Hilfe mehr zu erwarten. Und zur Familie meines Vaters habe ich gar keinen Kontakt.« Kaum hatte sie das ausgesprochen, stutzte sie. Auf einmal kam ihr eine Idee. »Lass uns ein Stück gehen, sonst frieren wir fest«, schlug sie Adelaide vor.
Arm in Arm sich gegenseitig wärmend, spazierten sie die Judengasse entlang. Nicht einmal die vielen Bücherkarren und Buchläden vermochten ihr Interesse zu wecken, so sehr war Magdalena damit beschäftigt, den neuen Gedanken auszuarbeiten. »Alles, was ich weiß«, begann sie, »ist, dass die Vorfahren meines Vaters Kaufleute in Königsberg gewesen sind, wie Erics Ahnen. Als Zunftgenossen kannten sich unsere Väter schon, bevor Eric und ich uns in Magdeburg begegnet sind.«
»Welch erfreulicher Zufall, dass dich ausgerechnet Eric aus der brennenden Stadt gerettet hat!«, entfuhr es Adelaide. »Dein Vater muss sich sehr darüber gefreut haben, dass ihr später sogar ein Paar wurdet.«
»Nein«, erwiderte Magdalena schroff und blieb abrupt stehen. Auf dem eisglatten Boden gerieten sie ins Schlittern und konnten nur durch gegenseitiges Stützen die Balance halten. »Mein Vater hat sich ganz und gar nicht gefreut«, fuhr sie fort. »Er und Erics Vater haben sich gehasst. In ihrer Heimatstadt waren sie zwar einst Zunftgenossen, dann aber hat es einen heftigen Streit gegeben. Genaueres wissen weder Eric noch ich. Mein Vater hat deswegen Familie und Heimat verlassen, sogar die Konfession gewechselt und sich freiwillig zum Kriegsdienst bei den Pappenheimer’schen gemeldet. Erics Vater dagegen ist mit seiner Frau, der Zwillingsschwester von Englunds Mutter, nach Magdeburg gezogen und hat sich dort eine neue Existenz aufgebaut. Beim Fall von Magdeburg vor fast dreißig Jahren sind sie dann elend gestorben.«
»Ich erinnere mich«, murmelte Adelaide ergriffen. »Das hat Eric an dem Tag, als der zweite Bernstein aufgetaucht ist, erzählt. Entsetzlich. Und dein Vater ist im Krieg ums Leben gekommen?«
»Ja, bei der Schlacht um Freiburg im August 1644 . Ich war bei ihm, als es zu Ende ging.« Magdalena hielt inne. Tränen traten ihr in die Augen, die Kehle wurde ihr eng. Deutlich sah sie vor sich, wie sie den Leichnam in eine Grube hatte zerren und verscharren müssen. Nicht einmal ein richtiges Grab hatte sie ihm schaufeln können. Noch schlimmer aber war, dass er ihr im Sterben die Liebe zu Eric hatte verbieten wollen.
Doch nun galt es, ihre Idee wieder aufzugreifen. Entschlossen wischte sie sich die Wangen trocken. »Das alles ist Gott
Weitere Kostenlose Bücher