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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sei Dank lange vorbei, vergeben und vergessen. Eins aber ist eine Schande: Der Große Krieg ist nun schon zehn Jahre her – und bis heute haben Eric und ich es versäumt, uns auf die Wurzeln unserer Familien in Königsberg zu besinnen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ganz einfach!« Magdalena wurde ungeduldig. »Es muss doch noch Verwandte in Königsberg geben, Kaufleute wie wir! Wir sollten Kontakt mit ihnen aufnehmen. Vielleicht können wir sogar Handelsbeziehungen zu ihnen knüpfen.«
    »Du denkst doch nicht etwa …«
    »Natürlich!«, fiel Magdalena ihr ins Wort. »Die Fundorte des Bernsteins rund um Königsberg, insbesondere an der samländischen Küste, sind sehr ergiebig. Die hohe Qualität des dort gewonnenen Bernsteins ist weithin berühmt. Das sollten wir uns als Kaufleute mit verwandtschaftlichen Beziehungen nach dort oben zunutze machen. Nicht der Schmuck, sondern die weiteren Möglichkeiten seiner Verarbeitung sind für uns vor allem interessant. Apotheker und andere Heilkundige haben einen großen Bedarf an Bernstein, um daraus Essenzen gegen weit verbreitete Beschwerden wie Steinleiden, Leibschmerzen und Gliederreißen zu gewinnen. Neben der entsprechenden Rezeptur könnten wir gleich den richtigen Bernstein zu ihrer Herstellung vertreiben oder gar selbst die fertige Essenz anbieten.«
    »Wie willst du deine Ahnen im fernen Königsberg finden? Besitzt du Schriftstücke deines Vaters, die Auskunft über seine Familie geben?«, fragte Adelaide.
    »Nein, leider gar nichts.« Magdalenas Blick verdüsterte sich. »Ich weiß auch nicht, ob meine Mutter etwas aufbewahrt hat. Ich werde wohl meinem Vetter in Köln schreiben und hoffen, dass er mir noch etwas Hilfreiches aus ihrer Hinterlassenschaft schicken kann.«
    »Das wird eine gute Weile dauern.« Adelaide wirkte enttäuscht.
    »Die Zeit werden wir nutzen.« Magdalena war nicht mehr zu entmutigen. »Du hast doch erwähnt, dass euch nach Kriegsende ein Päckchen mit Englunds Habseligkeiten geschickt wurde? Das sollten wir unterdessen suchen! Ich glaube kaum, dass Vinzent es vernichtet hat, auch wenn du es nach seinem Tod nicht mehr gefunden hast. Dir ist nach dem Auftauchen von Vinzents Schuldnern doch kaum Zeit zum Suchen geblieben. Es muss also irgendwo sein, wenn nicht in eurem alten Haus in der Sandgasse, dann bei uns in der Fahrgasse. Ja, warum eigentlich nicht bei uns?« Sie hielt einen Moment inne, legte den Zeigefinger sinnierend über die Lippen und sah auf ihre Fußspitzen. Jäh hob sie den Kopf und strahlte Adelaide an: »Hier wird es eher sein. Vinzent musste längst befürchten, die Schulden nicht rechtzeitig bezahlen zu können und damit das Haus in der Sandgasse an Schlüter und die anderen zu verlieren. Also ist das Haus seines Onkels in der Fahrgasse gewiss für ihn der geeignetere Ort gewesen, so wichtige Unterlagen aufzubewahren.«
    »Wo willst du mit der Suche anfangen?« Adelaide runzelte die Stirn. »Das Haus ist riesig!«
    »Vertrau mir. Habe ich nicht auch binnen weniger Tage das Kästchen deiner Eltern aufgespürt?«
    Voller Tatendrang zog sie Adelaide weiter. Es schien ihr auf einmal, als hätte sie die letzten Jahre vergeudet. Viel eher schon hätte sie sich um die väterlichen Ahnen kümmern und nach Königsberg schreiben müssen. Eine Schande, erst in der größten Not darauf zu verfallen, die alten Bande wiederzubeleben!

15
    Magdalena tat sich schwer, die Abschiedsprozedur für Renata zu ertragen. Es war der Morgen von Mariä Lichtmess, der übliche Tag, Gesinde zu entlassen. Den Weggang der Magd bedauerte sie zutiefst, und das damit verbundene Zeremoniell kam ihr äußerst ungelegen. Früh wollte sie aus dem Haus, um den Brief an ihren Vetter in Köln mit der ersten Post aufzugeben. Vergebens hatte sie tags zuvor gemeinsam mit Adelaide das Haus nach Christian Englunds Hinterlassenschaft durchforstet. Selbst Vinzents Pult hatten sie auf mögliche Geheimfächer Zoll für Zoll abgeklopft. Englunds Erbe schien wie vom Erdboden verschluckt. Deshalb war es umso wichtiger, rasch Nachrichten über die Verwandtschaft in Königsberg zu erhalten.
    Eric ließ es sich jedoch nicht nehmen, die Magd und ihren Verlobten, seinen hinkenden Ablader, nach dem Frühstück im Kontor zu empfangen. Natürlich musste sie als Hausfrau zugegen sein und der feierlichen Ansprache aufmerksam lauschen. Mit ernstem Gesichtsausdruck rief Eric das Vorbild der heiligen Familie ins Gedächtnis und gemahnte die beiden an Luthers Äußerungen zur Ehe. Peinlich

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