Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
endlich still!«, wurde es selbst dem alten und geduldigen Paul Wann zu viel.
Johann Merwais stellte sich kurz den Frauen vor, sagte, er sei Anwalt der Rechte und Doktor der Medizin und winkte ab, als ein paar auf die wimmernde Röslin deuteten.
»Ich kümmere mich heute Abend um die Wunden, zuerst kommt der gerichtliche Teil, so hart es klingen mag. Die Helena Scheuberin hat mir zu ihrer Vertretung die Vollmacht erteilt. Ich biete euch an, auch euch alle mit zu verteidigen, aber dazu brauche ich das Einverständnis jeder Einzelnen. Der Herr Notar Hagen hat bereits alles vorbereitet, ihr braucht nur noch zu unterschreiben.«
»Ich kann nicht schreiben«, kam es zaghaft aus dem Haufen.
»Das macht nichts, dann macht drei Kreuzchen oder sonst ein Zeichen!«, antwortete Merwais. »Ich mache euch aber darauf aufmerksam, das Ganze ist nicht ungefährlich. Wenn wir den Prozess verlieren, wird der Inquisitor Doktor Institoris alles daransetzen, euch ausnahmslos auf den Scheiterhaufen zu bringen! Also, überlegt es euch, aber überlegt nicht zu lange!«
Die Frauen steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, einige machten bedenkliche Gesichter und sahen hilfesuchend umher.
»Ihr könnt Doktor Merwais schon vertrauen. Er ist ein kundiger Anwalt und wird um euch kämpfen, als ob es um sein eigenes Leben geht, das kann ich euch versprechen!«, ermunterte Kommissar Turner die verunsicherten Frauen.
»Also gut, ich unterschreibe!«, sagte die Witwe entschlossen.
»Ich auch«, krächzte die Selachin.
»Ich mache auch mit und meine Mutter ebenfalls«, flüsterte die Hochwartin.
Auch die anderen Frauen unterzeichneten nun nacheinander das Schriftstück und der Anwalt schärfte währenddessen jeder Einzelnen flüsternd ein, dem Inquisitor mit keinem Wort zu antworten, was auch immer er fragen möge. Kaum waren sie fertig, meldete sich unverzüglich Institoris zu Wort.
»Ich beantrage eine Vertagung des Verfahrens!«, schrie er wutschäumend.
»Ja, eine kurze Pause wäre nicht schlecht. Ich möchte mir die Akten nochmals in Ruhe durchsehen!«, lächelte Merwais hinüber zu Turner.
»Wie lange braucht Ihr?«
»Ich denke, höchstens eine Stunde!«
»Benötigen wir die Angeklagten noch?«, wollte Wann wissen, der die zerschundenen Frauen in den Zellen besser aufgehoben wusste, wo sie sich wenigstens hinlegen konnten.
»Nein, ich glaube nicht«, antwortete der Anwalt.
»Also gut. Wir unterbrechen für eine Stunde!«, rief der Kommissar, worauf der Inquisitor unter wüsten Beschimpfungen seiner Mitbrüder und insbesondere des Utrechter Notars den Saal verließ.
»Wir haben zwar schon am Vormittag das meiste besprochen, ich möchte mich aber doch noch vergewissern, dass wir nichts übersehen haben!«, wandte sich Merwais fast entschuldigend an Turner und Wann. Er überflog die Akten und machte von Zeit zu Zeit auf einem separaten Blatt ein paar Notizen. Dann lehnte er sich zurück und sog scharf die Luft durch seine geblähten Nasenflügel.
»Ist das alles?«, fragte der Axamer Pfarrer enttäuscht, als er die wenigen Zeilen auf dem Papier sah.
»Ich denke, das reicht«, schmunzelte Merwais, »von mir aus können wir weitermachen!«
Institoris schwante nichts Gutes, als er mit seinen Confratres in den Gerichtssaal zurückkehrte. Der Anwalt machte einen selbstzufriedenen und siegessicheren Eindruck, aber auch der Pfarrer, der Kommissar und der Domherr schienen sich der Sache sicher zu sein.
Merwais saß ruhig in seinem Stuhl und spielte mit dem Gänsekiel, dessen Schaft er zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her rollen ließ. Er wartete, bis die Stille zum Zerreißen gespannt war, hüstelte dann leicht und erhob sich umständlich. Dann schob er wie in Gedanken verloren den Aktenstapel zur Seite und zog das einzelne Blatt zu sich her.
Langsam hob er den Kopf, sein Blick war anfangs noch verschwommen, aber seine Augen bekamen in dem Moment eine bohrende Schärfe, in dem er den Inquisitor zu fixieren begann. »Wir beantragen, alle Anklagen für null und nichtig zu erklären!« Es entging ihm nicht, wie Institoris erbleichte. »Wir werden diese Nullitätsbeschwerde auch begründen und uns dabei ausdrücklich an Eure Bulle halten.« Seine Stimme bekam nun einen metallischen Klang. »Erstens: Wie in der Bulle vorgesehen, wurde kein öffentlicher Notar beigezogen, der vom Bischof beeidet und mit der Prozessaufzeichnung beauftragt gewesen wäre. Zweitens: Es wurden Fragen gestellt, die nicht in der Kompetenz des
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