Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
seinen Finger in schwärende Wunden der Kirche zu legen. Wegen seiner pädagogischen Schriften nannte man ihn bald den »Erzieher Deutschlands« und Bruder Heinrich dachte, es könne nicht schaden, sich ein wenig im Lichte eines so berühmten Mannes zu sonnen.
Auch Bruder Jakob hatte ihm die Druckerei Drach wärmstens empfohlen. »Der junge Peter hat das Geschäft vor ein paar Jahren übernommen, sein Vater – so glaube ich wenigstens – hat noch bei Gutenberg gelernt. Drach ist keiner, der jemanden über den Tisch zieht. Aber Ihr müsst trotzdem ein wenig vorsichtig sein, denn er setzt immer sehr knappe Termine!«
Mit dem Drucker, der durch den juristischen Teil des geplanten Werkes bei Richtern und Rechtsgelehrten zusätzliche Verkaufsmöglichkeiten sah, wurde er schnell einig.
»Wir haben ein sehr aufwendiges Buch über eine Pilgerreise in das Heilige Land für den Herbst in Vorbereitung, unsere Auftragsbücher sind eigentlich voll. Unsere Druckerei ist inzwischen weit besser ausgelastet als die von Schöffer in Mainz«, lachte er, »wir brauchen also eine genaue Planung. Könnt Ihr mit dem Manuskript bis Oktober fertig sein?«
Bruder Heinrich sog scharf die Luft durch die Zähne. »Oktober?«, fragte er dann erschrocken.
»Wir müssen es setzen, es muss Korrektur gelesen werden, es muss gedruckt werden und schließlich noch gebunden! Wir schaffen höchstens sieben Exemplare pro Tag, bei einer Auflage von dreihundert könnt Ihr Euch selbst ausrechnen, bis wann wir fertig sind!«
»Also gut. Oktober!«, sagte er dann und schlug in Drachs hingehaltene Hand ein.
Zwar hatte er keine Ahnung, wie er diesen Termin einhalten sollte, aber versprochen war versprochen und er würde Tag und Nacht daran arbeiten. Mit dem Gefühl eines Siegers trat er hinaus auf die Straße und genoss die warm und süß in ihm aufsteigende Rache und versuchte sich das Gesicht Golsers vorzustellen, wenn er davon erfahren würde.
Zurück im Konvent, machte er sich sofort wieder an die Arbeit, aß kaum noch etwas und verließ die Zelle nur noch, um auf den Abtritt zu gehen oder die Bibliothek aufzusuchen.
Aber nach zwei Wochen wurde ihm vollends klar, was er eigentlich schon in der Druckerei geahnt hatte: Bis zum Oktober war es unmöglich, fertig zu werden.
»Du musst anders vorgehen«, murmelte er eines Abends müde, »so ist es nicht zu schaffen. Aber du musst, du musst, du musst!«
Die Erleuchtung kam am nächsten Morgen kurz nach dem Aufwachen, als sein Blick im Dämmerlicht des heraufziehenden Tages auf den »Formicarius« fiel.
»Das ist es!«, sagte er laut und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirne. Es ist ja alles da: Nider, Thomas von Aquin, Augustinus … du musst doch das Rad nicht neu erfinden. Schreib die entsprechenden Stellen einfach ab und versehe sie mit deinen Kommentaren! Deine Predigten kannst du ja auch mit einbauen, kam ihm dann in den Sinn.
Institoris war schon lange nicht mehr außerhalb der Klostermauern gewesen, höchstens, um in der Druckerei nach irgendwelchen Vorgaben nachzufragen. Meist war er auf dem Weg mit dem Kopf ganz woanders und wenn ihn jemand gefragt hätte, was das für ein großer Dom vor ihnen sei, hätte er vermutlich überlegen müssen, in welcher Stadt er sich überhaupt befand. So bemerkte er auch nicht das zunehmend geschäftigere Treiben. Straßen wurden ausgebessert, Hauswände herunter gewaschen oder frisch getüncht, Reiter in blitzenden Rüstungen zogen durch die Stadttore, Tribünen wurden aufgebaut, heraus geputzte Huren und abgerissene Bettler suchten sich die besten Plätze zu sichern.
Es war reiner Zufall, dass Bruder Heinrich geistesabwesend wie immer im Refektorium während des Abendmahles nebenbei die Worte »Kaiser Friedrich« und »Speyer« aufschnappte.
»Was, Friedrich und Speyer?«, fragte er noch ahnungslos und sah in die erstaunten und belustigten Gesichter seiner Mitbrüder.
»Sagt doch im Ernst – Ihr wollt doch nicht sagen, Ihr wisst von nichts?«, lachte auch der Domprediger Wimpfeling fassungslos. »Die Spatzen pfeifen es doch von allen Dächern. Ein Teil der Abordnungen des Deutschen Städtetages sind schon hier eingetroffen und auch Kaiser Friedrich hat sein persönliches Erscheinen angekündigt!«
Bruder Heinrich wurde aschfahl. »Friedrich … der Dritte?«, stotterte er.
»Gibt es noch einen anderen Kaiser Friedrich?«, grinste einer der Gegenübersitzenden.
Das hatte gerade noch gefehlt. Er stand unter enormem Zeitdruck und jetzt musste
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