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Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)

Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Erhaltung der Gemeinschaft durch Arbeit beizutragen. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem sich jeder sagt: Auf meine Arbeit kommt es überhaupt nicht mehr an, sie ist das, was ein Tropfen für das Meer ist. Dann geht die Arbeit nicht mehr aus Erhaltungstrieb vonstatten und äußerer Zwang wird nötig. Sobald die Möglichkeit der Eigenwirtschaft gegeben ist, wird die Gemeinwirtschaft zerfallen. Nicht weil es von außen angegriffen wird, nicht, weil fremde Mächte es fürchten, zerfällt das Gebilde, sondern es verfault von innen heraus. Ihr werdet sehen, das erledigt sich von selber wie schon bei den Urchristen!«
    »Wo also ist die Sünde größer? In der Faulheit in der Gemeinwirtschaft oder aber in der Bereicherung durch den Handel, indem meist etwas verkauft wird, was der Kaufmann nicht selbst geschaffen hat und dafür oftmals ein Vielfaches verlangt, als der bekommt, der es hergestellt hat? Was meinst du?«
    »Ich habe dazu eine kleine Schrift verfasst. Tractatus de contractibus mercatorum . Es ist eine Anleitung zu Vertragsabschlüssen für Kaufleute«, antwortete Nider. »Ich erzähle Euch morgen gerne mehr davon. Jetzt aber müssen wir uns beeilen, sonst kommen wir zu spät!«
    »Ja, wir haben nun genug geredet. Der heilige Benedikt wäre mit mir nicht zufrieden!«, meinte Pater Anselmus. »Ordensregel Kapitel sechs: ›Tun wir, was der Prophet sagt: Ich sprach, ich will auf meine Wege achten, damit ich mich mit meiner Zunge nicht verfehle. Ich stellte eine Wache vor meinen Mund, ich verstummte, demütigte mich und schwieg sogar vom Guten.«‹
    »Oder: Man soll der Schweigsamkeit zuliebe bisweilen sogar auf gute Gespräche verzichten«, lächelte Nider.
    Schwer schloss sich die Eichentür zum Refektorium. Ein Novize trat zu Nider und wies ihm schweigend einen Platz zu. Nach dem gemeinsamen Tischgebet stellte der Abt den Gast seinen Mitbrüdern vor, während der Novize, der ihn zu seinem Platz geleitet hatte, hinter einem Stehpult Aufstellung nahm. Schweigend nahmen die Mönche ihr Abendessen ein, das aus Lammbraten, grauem und geröstetem hellem Brot und einem Krug mit Wein bestand. Vom Fleisch nahm Nider nur ein ganz kleines Stück und den abschließenden Kräuterschnaps lehnte er gänzlich ab. Während des Essens las der Novize mit monotoner Stimme aus dem Evangelium nach Markus.
    Die Gefühle des Abtes für seinen Besucher waren zwiespältig. Einerseits fühlte er sich geehrt, einen so berühmten Mann in seinen Klostermauern zu beherbergen, der zudem hier aufgewachsen und von Benediktinern seinen ersten Schliff bekommen hatte. Andererseits zählten die Dominikaner seiner Ansicht nach zur vierten Art der Mönche, zu den so genannten Gyrovagen, die landauf, landab ziehen und sich für drei oder vier Tage in verschiedenen Klöstern beherbergen und verköstigen ließen und über die der heilige Benedikt sagte, dass es besser sei, über deren erbärmlichen Lebenswandel zu schweigen als zu reden. Aber gerade Nider forderte ihm einen gewissen Respekt ab, da seine äußere Erscheinung und sein demütiges Auftreten in keiner Weise den eisenharten Reformator vermuten ließ, der selbst aufmüpfigste und bockbeinigste Konvente zur Räson brachte.
    Nach dem Abendmahl zog sich auch Nider schweigend in seine ihm zugewiesene Zelle zurück. Seit Tagen war er nicht mehr dazu gekommen, seine Gedanken zu Papier zu bringen.
    »Was, schon so spät?«, sagte er erstaunt zu sich, als er das huschende Trappeln auf dem steingedeckten Gang vernahm.
    Vorsichtig löschte er die Talgkerze, indem er Daumen und Zeigefinger mit Spucke befeuchtete, zog seine Kapuze über den Kopf und reihte sich in den Zug der Mönche ein, der sich zur Complet und Vigil hinüber zur Kirche bewegte.
    Hoch schwang das »Herr, öffne meine Lippen« nach oben in das Dunkel der nur spärlich vom Fackelschein erleuchteten Kirche. Es folgten Psalm drei und das »Ehre sei dem Vater«, darauf Psalm 94 gesungen mit Antiphon, ein Hymnus des Ambrosius, dann sechs Psalmen wiederum mit Antiphonen, der Versikel, der Segen des Abtes. Drei Brüder trugen abwechselnd je eine Lesung vor, die mit drei Responsorien beendet wurden. Die weiteren sechs Psalmen wurden mit einem »Halleluja« abgeschlossen und die Lesung aus den Apostelbriefen auswendig vorgetragen. Nachdem das »Kyrie eleison« inbrünstig flehend in der hohen Dämmerung verhallt war, zog auch Nider seine Fackel aus dem Eisenring neben der Bank und schloss sich dem schweigenden Zug der Mönche an, die in ihre

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