Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Wirkung nicht entziehen. In seinen grauen Augen war nichts von mönchischer Demut, sondern sie waren stechend und konnten minutenlang ohne einen Wimperschlag starren.
Kennen gelernt hatten sich beide in Basel, in dessen Diözese Gremper aufgewachsen war und wo er auch studiert hatte. Bei einem Hexenprozess in Waldshut, bei dem Gremper als Notar mitwirkte, waren sie sich näher gekommen.
Den größten Teil seiner Lebensgeschichte hatte ihm Institoris an langen Abenden dort erzählt, wie er in Schlettstadt im Elsaß aufgewachsen war und dann dort bereits im Alter von fünfzehn Jahren in das dortige Dominikanerkloster eintrat. Er prahlte, bei der Verbrennung des Waldenserbischofs Franz Reiser in Straßburg dabei gewesen und bei dessen Gang zum Scheiterhaufen sogar sein Beichtvater gewesen zu sein. Wegen Majestätsbeleidigung saß er im Gefängnis, worauf er stolz war. Er predigte den Kreuzzug gegen den König von Böhmen, promovierte in Rom zum Doktor der Theologie und erhielt bereits vorher vom Papst die Befugnis zur Inquisition. Später wurde er zum Ketzerinquisitor für die Provinz Oberdeutschland ernannt, die das gesamte deutschsprachige Gebiet zwischen Böhmen und Frankreich einschließlich Vorderösterreich, der deutschsprachigen Schweiz und dem Elsass umfasste. Zwar gab es da eine Geschichte mit unterschlagenen Geldern aus dem Ablasshandel, über die aber aus Institoris nichts Genaueres herauszubekommen war, ebenso wie über den Streit mit zweien seiner Mitbrüder, die ihn wegen Diebstahls und Verleumdung angezeigt hatten. Er erzählte, wie er kaum aus Rom zurück war und von unglaublichen Taten der Hexen in der Diözese und im Elsass hörte und sofort wusste, was seine gottgewollte Aufgabe war und was sein Lebenswerk werden würde. Gnadenlos würde er dieses Gesindel ausrotten und dabei auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen. Aber dazu brauchte er noch Erfahrungen, vor allem im Umgang mit den weltlichen Gerichten, die ja letztendlich das Urteil aussprachen und vollzogen. Mit Hilfe seiner Vollmacht würde er zwar weniger die eigentlichen Häretiker und Ketzer vor Gericht zerren, sondern dafür das noch viel üblere Hexenunwesen mit Stumpf und Stiel ausrotten.
Er begann mit der Verfolgung in Basel, führte Prozesse in Breisach, Guebwiller, Oberwil und brachte in Thann im Elsaß eine Hebamme auf den Scheiterhaufen. Vom Papst erwirkte er einen Ablass für sein Schlettstädter Kloster, dessen Prior er nun war, mit Hinweis auf die hohen Kosten, die dem Konvent durch seine Tätigkeit als Inquisitor entstehen würden.
»Habt Ihr schon einen Verdacht?«, wollte er nun vom Notar, der auch zugleich Kaplan an der Stadtpfarrkirche war, wissen.
Das »R« sprach er rollend aus. Entdeckt hatte er die einschüchternde Wirkung dieses einfachen Konsonanten bei einem Prozess in Rappoltstein. Lange hatte er geübt und dazu entsprechende Gesten einstudiert. Eine Drohung wirkte damit noch bedrohlicher, in Lockungen lagen dunkel unausgesprochene Versprechen und Ängstliche wagten gar erst nicht zu widersprechen. Inzwischen war es ihm in Fleisch und Blut übergegangen.
Johannes Gremper verneinte. »Kommt, lasst uns zum Bürgermeister Gäldrich gehen. Er wartet sicher schon.« Auch Konrad Gäldrich und Heinrich Institoris waren alte Bekannte. »Wie lange ist es her, dass Ihr das letzte Mal in Ravensburg wart?«
»1475 – also neun Jahre«, erwiderte der Mönch.
»Tatsächlich. Schon so lange?«
Der Anlass war damals alles andere als erfreulich gewesen: Die Tinte auf seiner Bevollmächtigung als Inquisitor war noch kaum getrocknet, als er auf dem Rückweg von Rom nach Schlettstadt in Trient einem Inquisitionsverfahren gegen Juden beigewohnt hatte. Die Anklage hatte auf Ritualmord an einem kleinen Buben namens Simon gelautet, der nach ähnlichen Ritualen wie der landauf, landab zunehmenden Hexenzünfte abgelaufen sein sollte. Die Wogen waren hoch geschlagen in Trient und die Stimmung angeheizt worden durch die Predigten des Franziskaners Bernadin de Feltre.
Der Prozess war vom Fürstbischof unterstützt worden, geführt wurde er vom Stadtrat und Richter Johannes de Salis aus Brescia. Der päpstliche Kommissar aber hatte den sofortigen Abbruch des Prozesses gefordert, da die Anklage schwachsinnig wäre, worauf sich Bruder Heinrich beim Bischof erboten hatte, geeignete Argumente für die Weiterführung zu beschaffen und nachzuweisen, dass auch andernorts Juden wegen ihrer Schandtaten verfolgt wurden. Mit drei kaiserlichen
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