Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
kann«, predigte Heinrich nun wieder scheinbar ruhiger weiter, »möchte ich an einem Beispiel aus Augsburg verdeutlichen. Es ist nicht so, wie ihr vielleicht glauben möget, dass sich die Hexen einfach zu erkennen geben, nein, nein, sie, beziehungsweise die Dämonen, sind oftmals viel schlauer. Ja, manchmal werden sogar Priester geblendet und stehen ihnen zur Verfügung. In Augsburg war es eine Gruppe von Frauen, die als Täuschung auf Anweisung Satans eine übertriebene Frömmigkeit praktizierte. Die Weiber gingen nicht nur einmal täglich zur heiligen Kommunion, sondern sogar täglich mehrere Male. Das aber darf nur der Priester. Dieses Treiben dauerte zehn Jahre. Als ich einschritt, verteidigten sie sich läppisch mit Stellen aus dem Johannes-Evangelium und bezogen sich auf theologische Schriften, die sie gar nicht verstehen konnten. Ihre angebliche Frömmigkeit beruhte also auf nichts anderem als dem angeborenen weiblichen Defizit, das vom Höllenfürsten dazu benutzt wurde, um sie zu verführen.«
»Der Stiftspfarrer selbst«, er hielt einen Augenblick inne und tat so, als ob er sich erinnern müsste, »er hieß Johann Molitor, verteidigte sie auch noch. Erst als ich darauf hinwies, dass auch die Juden den Genuss des Blutes und Leibes nicht begreifen, wurden sie einsichtig und versprachen, von ihrem ketzerischen Tun abzulassen.«
Die Nennung des Namens des Stiftspfarrers war seine persönliche Art der Rache. In Augsburg hatte er damals nicht Recht bekommen und es wurde lediglich der mögliche Ansatz zu ketzerischem Gedankengut eingeräumt. Die Niederlage war ärgerlich genug. Aber dass ihn am nächsten Tag nach der Urteilsverkündung die Betschwestern mitsamt dem Pfarrer elend verprügelt und aus der Stadt gejagt hatten, hatte er ihnen bis heute noch nicht vergessen.
Institoris führte wortgewaltig und mit rollendem »R« weitere furchtbare Beispiele an, wozu diese Hexen und Satansbünde im Stande seien.
»Wenn wir diesen Hexen die wahrhaftige Lehre mit gleichzeitiger Brutalität in der Verfolgung einbläuen, wird die Wahrhaftigkeit siegen, wenn auch nach schwerem Kampfe. Der Urheber dieser Volkskrankheit ist Satan selbst. Denn nur im Gehirn eines Ungeheuers nicht eines Menschen – konnte dann der Plan zu einer Organisation sinnvolle Gestalt annehmen, deren Tätigkeit im Ergebnis zum Zusammenbruch der menschlichen Kultur und damit zur Verödung der Welt führen muss! So glaube ich im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich der Hexen erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn!«
Aus dem Ärmel zog er sein Taschentuch und wischte sich über das schweißnasse Gesicht.
»Ich fordere euch auf – und zwar jede und jeden Einzelnen: Helft mit in dem Kampf gegen das Verderbnis! Wir kämpfen weniger für die Vernichtung des Schlechten als vielmehr zur Durchsetzung des Guten. Damit aber ist unser Kampf mehr Angriff als Abwehr! Aber jede Gewalt, die nicht einer festen geistigen Grundlage entsprießt, wird schwankend und unsicher sein. Ihr fehlt die Stabilität, die nur in der eisenharten Unduldsamkeit zu ruhen vermag. Diese Unduldsamkeit muss der Ausfluss der jeweiligen Energie und brutalen Entschlossenheit jedes Einzelnen sein, diese Brut zu vernichten. Ihr habt es gesehen, an der Kirchentüre und am Rathaustor. Ich bin vom Papst selbst beauftragt worden, gegen den Unglauben vorzugehen. Und um nichts anderes handelt es sich ja auch bei der Hexerei, ja, sogar noch schlimmer: Sie wissen, dass es Gott gibt, beten aber seinen Widersacher an!«
Er wartete, bis seine Worte verhalft waren und er sah mit Befriedigung, dass die Menschenmenge unter ihm kaum mehr zu atmen wagte. Wie ein Peitschenknall zuckte es durch das Gotteshaus, als er seine Faust auf die Brüstung der Kanzel niederfahren ließ und seine Stimme überschlug sich fast. »Wer eine von diesen Hexen oder diesen Unholden kennt oder jemanden kennt, der von solchen weiß, soll sich innerhalb der nächsten zwölf Tage bei mir im Rathaus melden. Dies gilt auch für übel beleumundete Personen oder solchen, denen zuzutrauen ist, dass sie Schäden an Mensch und Tier zu verursachen vermögen. Wer also solche Personen kennt, von ihnen weiß oder einen Verdacht hat, soll mich aufsuchen und mir sagen, was er oder sie gehört und gesehen hat. Diese Untersuchung wird auf ausdrücklichen Wunsch der Stadt durchgeführt und die Meldung von Verdächtigen ist somit auch ein ausdrücklicher Befehl des hochlöblichen Stadtrates. Wer sich dem widersetzt
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