Hexenhatz im Monsterland
vorbei?«
»Haben wir da einen Seufzer der Enttäuschung in unserem lieben Publikum gehört?« fragte Hubert der Drache begierig. »Ist es Zeit für eine kleine Zugabe?«
»Nein! Nein!« kreischte die Zuhörerschaft unisono auf.
»In der Tat«, meldete ich mich hastig zu Wort, begierig darauf, endlich in Ruhe meine Unterhaltung mit Mutter Duck fortsetzen zu können. »Man muß immer dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Dieses Lied wird uns wegen seiner brillanten Kürze auf ewig im Gedächtnis bleiben.«
Hubert nickte feierlich. »Der Lehrling hat recht!«
Mutter Duck nickte zustimmend. »Zudem«, fuhr sie fort, und ihre Stimme schien wieder an Kraft gewonnen zu haben, »möchte ich euch darauf hinweisen, daß ich auf der Stelle einen Spruch des Ewigen Schweigens auf euch legen werde, falls ihr noch einmal ein solches Lied zu singen versucht.« Sie wies mit ihren beiden alten, aber immer noch geschmeidigen Händen in Huberts Richtung. »Denk gut darüber nach, oder du wirst den Rest deines Lebens als der Schweigende Drache auftreten müssen.«
»Ein Spruch des Ewigen Schweigens?« flüsterte Hubert entsetzt. »Ein ewig schweigender Drache?«
Doch Alea nickte wissend. »Merkst du denn nichts?« klärte sie den Drachen auf. »Sie hat noch nie Profis aus der Hauptstadt gesehen. Sie hat Angst, daß wir sie an die Wand spielen.«
»Das ist der Nachteil, wenn man eine Tournee in die Provinz macht«, pflichtete Hubert ihr seufzend bei.
»Gut«, stellte Mutter Duck fest. »Ich bin froh, daß die Sache erledigt ist. Ich fürchte, ich war etwas – überrascht – über euren ersten Song. Doch ich versichere euch, daß wir beim nächsten Mal auf alles, was ihr zu bieten habt, vorbereitet sein werden.« Abwesend ließ sie ihre Beschwörungsfinger spielen. »Und denkt daran: Wenn ich den Drachen-Lambada noch einmal höre, verliert ihr eure Stimmbänder.«
Ein einsamer Rauchring stieg aus Huberts Nüstern empor. Sie hatte etwas geschafft, was ich bislang für unmöglich gehalten hatte. Sie hatte Hubert zum Schweigen gebracht.
Mutter Duck erlaubte sich ein kleines Lächeln. Also hatte sie gute Laune – eine prima Chance, meinen Vorschlag auf fruchtbaren Boden fallen zu lassen.
»In der Tat«, begann ich erneut. »Nun, da Ihr mit diesem unbedeutenden Problem fertiggeworden seid, könnten wir vielleicht ernsthaft miteinander reden.«
»Hm?« machte Mutter Duck, als habe sie mich inzwischen vollkommen vergessen. »O ja, der Ewige Lehrling! Ja, die habe ich ganz schön aufgerührt, nicht wahr? Doch darüber solltest du dir keine Sorgen machen. Mir geht es wieder ausgezeichnet. Eigentlich steht der Fortsetzung unserer Märchenperformance nun nichts mehr im Wege.«
»In der Tat?« Sie konnte sich doch jetzt nicht einem Gespräch verschließen! Ich war so nahe dran gewesen. Sie mußte mich zu Ende anhören! »Aber…«
»Langsam, langsam, unterbrich Mutter Duck nicht dauernd. Kein Grund zur Aufregung!« Sie lächelte herablassend. »Angesichts dessen, was ich für dich vorbereitet habe, solltest du deine Kräfte lieber sparen.«
Sie hatte ihre Beine in den Boden, die Arme in die Hüften gestemmt und blickte herausfordernd in unsere Runde. »Die ersten beiden Märchen haben nicht funktioniert, aber ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Ich habe in zu kleinen Dimensionen gedacht. Du und deine Gefährten seid aus den engen Grenzen der Geschichtchen, die ich für euch ausgedacht hatte, ausgebrochen, doch das wird nun ein Ende haben. Ich werde euch ein Märchen von epischen Ausmaßen weben, das eurer würdig sein wird.« Sie lächelte glücklich. »Mit ein bißchen Glück wird es mein Meisterstück werden!«
»Ein würdiges Ziel«, stimmte Gottfried der Wolf ihr zu. »Aber denkt doch nur, wie groß die Resonanz Eurer Geschichten sein würde – ganz zu schweigen von dem Symbolismus, der Dutzende von ungeborenen Generationen in seinen Bann schlagen könnte –, ließet Ihr einen sprechenden Wolf in Euren Werken agieren!«
Mutter Duck seufzte. »Die Ablenkung von vorhin hat mir gereicht. Vielleicht sollte ich doch besser Richard rufen, damit der dich wegbringt. Was sollte das denn für ein Märchen sein, in dem sprechende Wölfe vorkommen?«
»Was das für ein Märchen sein sollte?« Gottfried entfuhr ein bellendes und ganz klein wenig verächtliches Lachen. »Hört mir gut zu, meine Dame, denn ich kenne eine Vielzahl von Wolfsmärchen. Wie wär’s mit dem, wo die Kleine dieses Beerenkörbchen durch den Wald zu ihrer
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