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Hexenheide

Hexenheide

Titel: Hexenheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: aerts
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auf keine der beiden Möglichkeiten Lust: alleine über die Heide zu fahren oder jetzt noch länger als eine halbe Stunde zu laufen.
    »Wenn du jetzt schnell vorausfährst, dann weiß Mama zumindest, dass ich bald komme und nur einen Platten habe. Vielleicht kannst du sie dazu überreden, schon mal mit dem Kochen anzufangen, dann mache ich das Essen nachher fertig. Bitte sie, schon mal den Reis aufzusetzen und eine Zwiebel und ein paar Tomaten zu schneiden. Und jetzt mach schon, Junge.«
    Zögernd setzt Karim einen Fuß auf das Pedal. Er beißt sich auf die Lippe und blickt noch einmal auf die lange gewundene Straße, die er vor sich hat.
    »Wenn du um die Kurve bist, dann siehst du schon das Dach von unserem Haus«, beruhigt ihn sein Vater.
    »Ja, bestimmt ganz weit weg«, sagt Karim durch die zusammengebissenen Zähne, aber er steigt auf und fährt los. Auf den Pedalen stehend, schießt er wie ein Pfeil davon. Kurz vor der Kurve sieht er sich noch einmal um. Sein Vater winkt ihm. Ungeschickt winkt Karim zurück, wobei er einen gefährlichen Schlenker macht.
    Das ist kein Radweg, nur eine lange, lange asphaltierte Straße, auf der auch Autos fahren. Aber in diesem Augenblick ist weit und breit kein Auto zu sehen, und daher fährt Karim in der Mitte.
    Der Himmel über ihm hat eine unwirkliche gelbliche Farbe angenommen. Es hatte wohl einen ziemlich schönen Sonnenuntergang gegeben, denn es waren rosa Streifen am Horizont erschienen, doch nun ist alles seltsam verfärbt. Karim schaut sich noch einmal um. In der Ferne ist der Himmel orange. »Alles besser als grau«, sagt Karim zu sich selbst. Jedenfalls sieht es nicht so aus, als ob es regnen würde. Aber alles zusammen – der gelbe Himmel, die Stille, die lange, lange Straße – ergibt eine eigenartige Stimmung. Karim schaut sich, als wäre er allein auf der Welt. Wenn doch nur mal ein Auto vorbeikäme und angenehm laut hupen würde.
    »Ich kann natürlich auch selbst was machen«, sagt Karim laut. »Singen, zum Beispiel, oder Pfeifen.« Er probiert es mit einem unanständigen Lied, doch nach zwei Zeilen findet er, dass es sehr seltsam klingt. Stell dir mal vor, dass da doch plötzlich jemand am Straßenrand steht, und dann kommt so ein Junge vorbei, der ziemlich laut auf dem Fahrrad unanständige Lieder singt! Außerdem hat er alle Luft in den Lungen nötig, um weiterzustrampeln, denn je länger er fährt, desto schwerer fällt es ihm. »Ich kann langsam nicht mehr«, keucht er. Laut mit sich selbst zu reden ist eigentlich ziemlich komisch. Aber wer ist denn da, der das hören könnte? »Niemand«, murmelt Karim. »Zumindest hoffe ich das.« Scheu blickt er um sich. Er weiß nicht, ob er es nicht doch ganz schön fände, wenn es hier noch einen späten Spaziergänger gäbe. »Das hängt davon ab, was es für ein Spaziergänger ist.« Und natürlich muss er sofort wieder an die Frau mit den weißen Haaren denken. Und daran, was Lenne am Wasser passiert ist. Und an die Frau mit dem seltsamen kleinen Hund. Bei dem es so aussah, als ob er wirklich davongeflogen wäre. Karim schaudert. »Ha! Ha!«, schreit er laut, um seine Ängste zu übertönen. »Solche Sachen gibt es doch überhaupt nicht.« Er tritt noch fester in die Pedale. »Hexen gibt es nicht!«, brüllt er lauthals. Oder sollte man solche Sachen lieber nicht rufen, wenn man gerade ein Stück über die Hexenheide radelt? Furchtsam guckt Karim nach links und nach rechts. Was ist das denn, da weiter vorne? Ist das ein kleiner Baum? Oder ist das ein ganz krummes Wesen mit einem Buckel auf dem Rücken? Es bewegt sich. Aber das kann auch der Wind sein. »Lalala …«, singt Karim, dem keine Worte mehr einfallen. »Lalala …« Oder vielleicht sollte er besser ganz still sein, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das letzte » la …« verschluckt er. Er keucht.
    Ein merkwürdiges Geräusch weckt seine Aufmerksamkeit. Es kommt von oben, aus der Luft. Eine Hexe auf dem Besenstiel. Nein, so was kommt nur in Märchen vor. Es ist ein seltsames Geräusch. Eine Hexe ohne Besenstiel. Können Hexen fliegen? Was für eine dumme Frage, Hexen gibt es nicht, also können sie auch nicht fliegen. Es ist der Wind. Nein, der Wind ist das nicht. Karims Hände klammern sich um den Lenker. Ängstlich sieht er einen kurzen Augenblick nach oben. Es ist ein lang gestrecktes V, das durch die Luft fliegt. Erleichtert bricht Karim in Lachen aus. Gänse! Er schlingert und wäre beinahe gestürzt. »Besser auf den Weg achten«,

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