Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexenheide

Hexenheide

Titel: Hexenheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: aerts
Vom Netzwerk:
nicht getan hat. Karim wimmert vor Angst. Stell dir vor, mein Licht wäre nun plötzlich angegangen. Dann hätte sie mich prima gesehen! Wenn sie mich nicht schon längst gesehen hat. Ich muss hier weg. Ich will nach Hause. Oder soll ich zu meinem Vater zurückfahren? Was ist näher? Ich weiß es nicht. Unser Haus kann ich sehen. Meinen Vater nicht. Vielleicht ist er auch von der Straße abgebogen, und dann kann ich ihn nicht mehr finden, wenn ich zurückfahre. Ich fahre besser weiter, nach Hause, zu den Lampen im Garten. Ich kann sie sehen. Wenn ich ganz schnell fahre, dann werden sie auch ganz schnell größer. Sieh mal, sie scheinen schon näher zu sein als gerade noch.
    Karim hört ein pfeifendes Geräusch in seinen Ohren. Ist das der Wind? Der Wind, der an seinen Ohren vorbeisaust? Kommt das, weil er so schrecklich schnell fährt? Es tut weh, irgendwo in seinem Ohr. Das gibt es doch nur im Winter, wenn es friert, dass einem die Ohren wehtun? Da ist jemand, der schreit, hoch und grell. Nein, das ist doch der Wind. Nein, es ist eine Stimme. Nein, das ist der Wind.
    Karim stellt sich auf die Pedale. Keuchend vor Anstrengung legt er die letzten Meter bis zu seinem Haus stehend zurück.
    Schleudernd und holpernd fährt er in den Vorgarten. »Mamaaa!«, schreit er mit sich überschlagender Stimme. »Maaamaaa!«
    Er stürzt mit dem Fahrrad zu Boden, weil er gegen eine der Lampen gefahren ist, die neben dem Gartenweg stehen. Auf dem Bauch rutscht er noch ein Stück durch einen Haufen welker Blätter, die sein Vater heute Morgen zusammengerecht hat.
    Die Tür geht auf. »Karim, was machst du denn da?«
    »Nichts … nichts, ich bin hingefallen.«
    »Warum schreist du so?«
    »Weil ich hingefallen bin«, lügt Karim drauflos. Aber als ihn seine Mutter mit ins Haus genommen und ihm in der Küche ein Glas Wasser gegeben hat, steigt ihm ein Schluchzer aus der Kehle hoch. Und Mütter erkennen Schluchzer unter Tausenden von Geräuschen, darauf sind sie trainiert. Mit knallroten Wangen muss Karim zugeben, dass er Angst hatte.
    »Aber wovor denn, und wo bleibt dein Vater eigentlich?«
    »Der hat einen Platten.«
    »Wo? Wann?«
    »V or einer halben Stunde oder so. Ich hab alleine weiterfahren müssen.«
    »Was?«, schreit Karims Mutter. »Dein Vater hat dich alleine über die Heide fahren lassen? Ist der denn jetzt völlig verrückt?«
    Sie läuft aus der Küche zur Haustür und schaut schnell nach draußen, um zu sehen, ob er schon in Sichtweite ist.
    »Weil er versprochen hat, dass er kochen würde«, sagt Karim.
    »Und das nach dem, was im letzten Sommer passiert ist! Lässt der dich so einfach … dieser Trottel …«
    »Er hat Angst gehabt, dass du böse sein würdest.«
    »Na, und ob!«
    »Und ob du die Zwiebeln schon schneiden könntest und die Toma…«
    »Ob ich die … was! Der kriegt was zu hören, wenn er sich überhaupt noch hier reintraut!«
    Karim seufzt. Das wird heute ein ganz besonders gemütlicher Sonntagabend. Das weiß er jetzt schon.

11
     
     

     
     
     
     
     
    Dieses Mal ist es Lenne, die nicht eine Minute länger warten kann. Es ist Montagmorgen, die Schule hat gerade angefangen, und die Kinder sitzen noch gar nicht richtig, aber Lenne fuchtelt schon ungeduldig mit der Hand in der Luft herum. »Herr Paul? Herr Paul!«
    Herr Paul steht mit einem Stück Kreide in der Hand an der Tafel und will gerade etwas schreiben, doch geduldig dreht er sich zu ihr um und sieht sie fragend an. »Nun sag schon, Lenne.«
    »Sind Sie noch mal in der Bücherei gewesen? Bei Frau Hendriks? Wissen Sie jetzt endlich das Ende der Geschichte über die Alberdine?«
    Der Lehrer dreht die Kreide zwischen seinen Fingern herum. Sechsundzwanzig Kindergesichter blicken ihn fragend an. Auch wenn sie sich nicht alle so stark wie Lenne für die Hexenverfolgung interessieren, wird doch jede Minute, die von der Mathestunde abgeknabbert wird, dankbar angenommen. Herr Paul lächelt gutmütig. »Na, denn mal los. Ja, Lenne, ich habe mit Frau Hendriks gesprochen. Du solltest dich bei ihr noch mal richtig bedanken, wenn du das Thema so spannend findest, denn sie hat sich wirklich Mühe gegeben, um die ganze Geschichte auf den Tisch zu bringen.« Der Lehrer lässt seine Augen über die erste Reihe gleiten, wo sie einen Augenblick auf Karims Gesicht verweilen, der ihn gespannt ansieht. Dann setzt sich Herr Paul auf die Kante des Lehrertischs. »Also gut, hört zu und gruselt euch. Ich fürchte, dass das ein Stück Geschichte unseres Dorfs

Weitere Kostenlose Bücher