Hexenheide
warm.«
»Ich strampel doch schon, so schnell ich kann!«
»Weichei.«
»Ich fahr gleich zurück!«, droht Karim.
»Ist ja gut, ich hör ja schon auf zu meckern.« Karims Vater fährt etwas langsamer und macht ihn unterwegs auf alles aufmerksam, was er an Schönem sieht. »Sieh mal, ein Reiher! Er steht nur auf einem Bein, siehst du das? Schön, da mit der Sonne auf dem Wasser. Schade, dass ich meinen Fotoapparat nicht mithabe.«
»Ja, schade«, stimmt Karim zu. Mit dem Fotoapparat hätten sie zumindest eine Ausrede gehabt, immer mal wieder abzusteigen.
»Schön, wie der Himmel da vorne ganz rosa wird.«
Karim murmelt etwas.
»Was meinst du?«
»Ja … wunderschön.«
»Ach, dir gefällt auch gar nichts.«
»Mir gefällt eine ganze Menge: Computer spielen … Eis essen … schwimmen.« Karim denkt nach. Was soll er noch alles aufzählen? »Fernsehen, ins Kino gehen, mit einer Gruselgeschichte im Bett liegen.«
»Ja, ja, ja«, brummt sein Vater.
»Wollen wir da beim Wald mal eine Pause machen?«, schlägt Karim faul vor.
»Bei welchem Wald?«
Karim streckt den Arm aus. »Da drüben. Die Bäume mit den orangen Blättern.
»Das sind Eichen. Hast du das gewusst?«
»Nein. Interessant.« Aber nicht wirklich.
»Lass uns noch ein bisschen weiterfahren, wir haben ja noch gar nicht richtig angefangen.«
»Mir reicht es eigentlich schon.«
Ihr Fahrradausflug will einfach kein richtiger Erfolg werden. Karim mault immer weiter, während sich sein Vater begeistert gibt. Endlich beschließen sie, bei einem Café an der Straße anzuhalten, wo im Sommer immer großer Betrieb herrscht, wenn Spaziergänger zum Eisessen herkommen. Doch am Ende eines windigen Herbstnachmittags sitzen gerade mal drei Personen an einem Tisch und essen einen Teller warme Zwiebelsuppe.
Karim bestellt sich heiße Schokolade mit Sahne. Er muss nicht lange warten und bekommt auch noch einen lustigen Keks dazu, der aussieht wie eine hohle Zigarre. Zufrieden löffelt er mit diesem Keks die Sahne von seiner heißen Schokolade. Es ist Glück im Unglück, findet er, dass er zumindest so etwas Leckeres für diese Plackerei bekommen hat. »Fahren wir danach wieder zurück?«, schlägt er vorsichtig vor.
Er ist erleichtert, als sein Vater damit einverstanden ist. Er hat genug von der Maulerei. »Das nächste Mal fahr ich alleine los.«
Das ist mir nur recht, denkt Karim.
»Die Sonne ist ja schon fast untergegangen«, stellt Karims Vater erstaunt fest, als sie wieder draußen stehen. »Wie spät ist es denn?« Er blickt auf seine Uhr. »Mensch …« Er zieht die Augenbrauen zusammen. »Du fährst aber auch so langsam.«
»Ja, gib mir nur die Schuld!« Karim ist empört.
»Na, da hilft nichts, wir müssen einfach ein bisschen durchtreten. Ich habe versprochen, heute Abend zu kochen.«
»Wir können doch auch einfach Pommes holen«, schlägt Karim listig vor und fährt noch langsamer.
Auf halbem Weg gibt es plötzlich einen lauten Knall. Vor Schreck fällt Karim fast vom Fahrrad. »Was war das denn?«
»V erdammt!«, flucht sein Vater und springt vom Rad. »Ein Reifen ist geplatzt.«
»Oh nein!«, jammert Karim. Er steigt ab und sieht nach dem platten Vorderreifen am Rad seines Vaters.
»V erdammt!«, sagt sein Vater noch einmal und sieht sich auf der Straße nach der Ursache für den Platten um.
»Hast du Flickzeug dabei?«, fragt Karim leise, er traut sich fast nicht, die Worte auszusprechen. Und wirklich, wie schon befürchtet, sein Vater hat keines mitgenommen. »Mist!«
»Fahr du schon mal weiter, Karim.«
Karim lässt seinen Blick über die lange Straße schweifen, die sich vor ihm erstreckt. »Auf keinen Fall!«
»Doch, fahr du nur weiter. Ich werde dann halt laufen müssen, es geht nicht anders.«
»Ich fahr bestimmt nicht alleine über die Heide!«
»Junge, jetzt stell dich nicht so an. So weit ist es nicht mehr. Mit dem Rad bist du in einer Viertelstunde zu Hause.«
»Eine Viertelstunde? Mindestens eine halbe Stunde!«
»Wenn du so langsam fährst wie auf dem Hinweg, dann vielleicht, aber wenn du ein bisschen auf die Tube drückst, kannst du leicht in rund fünfzehn Minuten zu Hause sein. Und dann sagst du Mama, dass ich auch bald komme.«
»Das finde ich gruselig!«
»Gruselig?«
»Wenn ich alleine bin.«
»Karim«, sein Vater seufzt, »es ist einfach eine lange Straße. Verirren kannst du dich nicht.«
»Wie lange dauert es zu Fuß?«, will Karim wissen.
»Bestimmt eine halbe Stunde!«
Karim schluckt. Er hat
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