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Hexenheide

Hexenheide

Titel: Hexenheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: aerts
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mutig und zerrte Alberdine an den Haaren aus der Mühle. Doch Alberdine war eine starke junge Frau und kämpfte um ihr Leben. Dann floh sie in die Felder und war verschwunden. Natürlich konnte sie sich danach im Dorf nicht mehr blicken lassen. Die Leute hätten sie auch nachträglich noch auf den Scheiterhaufen gezerrt. Ach ja, das Kind, das vermisst worden war, kam vergnügt und munter wieder nach Hause, denn es war einfach nur in einem Heuhaufen eingeschlafen. Es hatte natürlich keine Ahnung von dem Unheil, das es unabsichtlich angerichtet hatte. Und die vornehme Familie war um eine Mühle reicher: Nimm dir, was du kriegen kannst. Ja, Karim, was ist denn?«
    Karim lässt seine Hand wieder sinken, und seine Finger zittern ein bisschen. »Herr Paul, die Mühle, war das eine Wassermühle?«
    »Oh, hm, ja, hab ich vergessen, das zu erwähnen? Ja, das war die Wassermühle, ihr wisst ja, gleich hinter dem Dorf. Die gibt es immer noch. Ich glaube, das Amt für Denkmalschutz kümmert sich mittlerweile um sie. Sie werden die Mühle in Kürze instand setzen und für Besucher öffnen.«
    Karim guckt zur Seite und fängt Lennes Blick auf. Sie starrt ihn an. Nichts erzählen, scheint sie mit ihren Augen sagen zu wollen. Nein, das hatte Karim auch nicht vor. Es ist eine viel zu abgedrehte Geschichte, und wer würde sie überhaupt glauben?
    »Aber es ist noch nicht zu Ende«, fährt der Lehrer auf einmal unerwartet fort. »Denn nur wenige Wochen später verschwand die einzige Tochter des reichen Kerls, dessen Familie sich die Mühle so geschickt angeeignet hat. Sie war ein schönes Mädchen, heißt es in der Geschichte, und die Familie hätte sie gerne mit einem wohlhabenden Mann verheiratet, der ihr schon einige Zeit den Hof gemacht hat. Doch kurz bevor die Hochzeit stattfinden sollte, war sie von einem auf den anderen Tag verschwunden. Sie wollte nur ein wenig im Garten spazieren gehen. Und wenn ich Garten sage, dann müsst ihr euch so etwas vorstellen wie den Park hier mitten im Dorf und nicht eure eigenen Gärtchen hinter dem Haus. Plötzlich war sie weg. Niemand weiß, was passiert ist. Wer weiß, vielleicht hatte sie einfach keine Lust, den reichen alten Kerl zu heiraten, und hat schlichtweg die Beine in die Hand genommen, wer kann das schon sagen? Aber euch ist natürlich schon klar, was die Menschen hier im Dorf darüber erzählt haben: Das musste das Werk der Hexe sein! Die Rache der Alberdine! Durch die reiche Familie ist alles durcheinandergebracht worden, durch ihr Zutun wurde sie aus dem Dorf vertrieben, deshalb holt sie noch zu einem letzten Schlag gegen sie aus: Vom jüngsten Sohn der Familie belästigt, ermordet oder entführt die Müllerstochter seine Schwester.«
    Nun ist es wieder Lenne, die sich meldet. »Wie hieß die Tochter?«
    »Oh, das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, ich habe den Namen schon mal irgendwo gelesen …«
    Karim hält sich zurück. Er könnte den Lehrer einfach fragen: Herr Paul, hieß sie vielleicht Ermelinde? Aber er weiß nicht, ob Lenne ihm das übel nehmen würde, sie scheint alles für sich behalten zu wollen.
    »Die Geschichten über Alberdine, die Hexe, sind noch weiter ausgeschmückt worden«, erzählt der Lehrer weiter. »Die Menschen damals liebten Gruselgeschichten, denn solche Erzählungen waren immer gut, wenn man im Gasthaus behaglich am warmen Herdfeuer saß. Mancher müde Reisende, der mit einem großen Krug Bier dabeisaß, hat die Möglichkeit genutzt, sich in eine Runde einzubringen, indem er erzählte: ›Was? Ob ich heute Abend auf der Heide eine Hexe gesehen habe? Aber ja, immer wieder. Ich habe eine seltsame Erscheinung mit langen weißen Haaren vor uns über die Heide irren sehen. Sie ist vor uns hergeschwebt, ihre Haare flatterten im Wind, und sie hat laut kreischend Verwünschungen ausgestoßen. Aber wir haben uns die Finger in die Ohren gestopft, zu Gott gebetet und sind tapfer weitergeritten!‹ Und dann bekam man vom Wirt ein zweites Bier spendiert und ein drittes, wenn man die Geschichte noch einmal erzählte und immer schöner und fantastischer, denn das war gut für die Kundschaft, die noch ein Stündchen länger blieb, um noch mehr zu hören.«
    »Ich finde das total traurig«, erklingt Malikas Stimme aus der zweiten Reihe. Lenne dreht sie zu ihr um. »Du etwa nicht? Für Alberdine, meine ich. So aus dem Haus vertrieben zu werden! Und dann ohne Geld und sonst irgendwas über die Heide zu wandern. Die ist bestimmt vor Hunger umgekommen.«
    »Hexen können

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