Hexenjagd in Lerchenbach
hinter sich.
Vorsichtshalber sah Tarzan ihm nach,
bis er nicht mehr zu unterscheiden war von den Schatten in der Tiefe des
Waldes.
„Ihr könnt runterkommen.“
Er zog Oskar zu dem Baum, an dem die
Leine hing, und machte ihn fest.
„Ich kann nicht runter!“ rief Gaby. „Da
verknackse ich mir den Fuß.“
Mit unbewegtem Gesicht stellte Tarzan
sich auf. Er breitete die Arme aus. Gaby sprang. Er fing sie auf und stellte
sie vorsichtig ins Moos.
„Den Fuß habe ich mir nicht verknackst“,
sagte sie. „Aber den Rücken. Du hast vielleicht einen Griff.“
„Ich mußte doch verhindern, daß du mir
durch die Arme glitscht.“
„Glitschen? Ich bin doch kein Aal und
auch kein Stück Seife. Ich...“
Weiter kam sie nicht. Klößchens Geheul
ließ die Erdbeeren wackeln.
„Sie fressen mich!“ brüllte er. „Tausende
sind’s. Sie beißen schon!“
Wie von allen Teufeln gejagt, schoß er
hinter dem Strauch hervor. Wild schlug er auf sich ein — auf sich selbst!
Schlug auf Beine, Arme, Schultern, Rückseite und hopste in komischen
Zickzack-Sprüngen umher.
Offenen Mundes sahen ihm die vier zu.
Auch Helga und Karl waren von ihrem Baum heruntergeklettert.
Gaby begann zu glucksen. „Was hat er
denn jetzt schon wieder?“
„Willi!“ Tarzan kam seinem Freund zu
Hilfe, obwohl er noch nicht wußte, wie diese Hilfe aussehen sollte. „Was ist
denn los?“
„Termiten sind los!“ heulte Klößchen. „Sie
fressen mich roh. Riesige Waldameisen. Jede ein häßliches Ungeheuer voller
Gift.“
Immer wilder klatschte er auf seinen
Körper.
Und tatsächlich! Dutzende von Ameisen
krabbelten auf ihm herum.
„Alle zu ihm!“ rief Tarzan. „Zum
Entlausen! Eh... zum Entameisen, meine ich.“
Während Klößchen Stillstehen mußte — mit
entsetztem Gesicht und seitlich ausgestreckten Armen, befreiten sie ihn von der
Plage. Gaby und Helga nahmen sich Arme und Rücken vor. Tarzan und Karl suchten
den Rest ab. Die letzte fanden sie schließlich hinter seinem linken Ohr.
Während der Prozedur (Verfahren) stöhnte Klößchen.
„Mindestens 1000 haben mich gebissen.“
„Es waren keine 50“, sagte Tarzan.
„Ich bin wie ein wandelnder Behälter
voll von Ameisengift.“
„Du bist so voll von Schokolade — da
macht das bißchen Gift nichts aus. Wie ist das denn passiert?“
„Ich habe mich hinter dem Erdhügel
versteckt, habe mich richtig hineingewühlt. Daß es ein Ameisenhaufen ist, habe
ich zu spät gemerkt.“
„Also, auch noch Flurschaden
angerichtet!“ stellte Tarzan fest.
„Ameisengift ist übrigens gut gegen
Rheuma“, tröstete Helga. „Die Bisse brennen nur etwas.“
„Etwas? Wie Höllenfeuer! Außerdem habe
ich kein Rheuma. Und sollte ich das mal kriegen — in einen Ameisenhaufen lege
ich mich nie wieder!“
„Warum bist du denn nicht auf einen
Baum geklettert?“ fragte Helga ahnungslos.
„Ach, wissen Sie“, er wurde rot vor
Verlegenheit, „ich bin nicht schwindelfrei.“
„Wie bitte?“
„Naja, ich kann nicht gut klettern.
Eigentlich überhaupt nicht. Es liegt wohl daran, daß ich ein bißchen zu schwer
bin.“
„Und das liegt daran“, sagte Tarzan, „daß
er ein bißchen zu viel Schokolade ißt.“
„Solange ich die Wahl habe“, meinte
Klößchen hoheitsvoll, „entscheide ich mich für die Schokolade. Schließlich
kommt nicht jeden Tag ein Hirsch. Und als Abkömmling einer Schokoladenfamilie
muß ich die Tradition (Überlieferung) wahren. Auch durch Verzehr.“
„Ihm ist keine Ausrede zu billig“,
sagte Tarzan, „um seine Verfressenheit zu entschuldigen.“
Helga lächelte. Klößchen betrachtete
die roten Quaddeln an Armen und Beinen: die Ameisenbisse. Karl meinte, Willi
hätte wohl wirklich einen Pechtag. Erst die Schokolade in der Hosentasche, dann
der Ausrutscher im Waldsee und schließlich die Balgerei mit den Ameisen. Es
wäre wohl angezeigt, heute besonders auf ihn zu achten.
Das taten sie dann auch auf dem
Heimweg. Zwar waren die Kannen nicht ganz gefüllt — aber erdbeersatt waren
alle.
„Zum Glück ist alles gutgegangen“,
sagte Gaby. „Ich fand es lustig. War wirklich ein herrlicher Tag.“
Alle stimmten dem zu und ahnten noch
nicht, welche böse Überraschung ihnen in wenigen Minuten bevorstand.
9. Der Einbruch
Die Sonne war nach Westen gewandert.
Das braune Licht des frühen Abends lag über der Landschaft. Singvögel
jubilierten aus voller Kehle. Über dem Bach ballten sich Schwärme von Mücken.
Die Schatten wurden länger, aber noch war
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