Hexenjagd in Lerchenbach
Spurensicherung — einen dürren, scharfäugigen Mann, der Montag hieß und
sich seinen Sonntag sicherlich anders vorgestellt hatte — als Freitag nämlich.
Ernsten Gesichts hörten sich die beiden
an, was ihnen berichtet wurde. Dann machte Montag sich an die Arbeit. Er suchte
Fenster und Hauswand nach Fingerspuren ab, hatte aber keinen Erfolg.
„Nur Druckstellen, die von Handschuhen
herrühren“, sagte er. „Damit läßt sich nichts anfangen. Der Bursche ist sehr
gerissen.“
Auf den Flaschen konnte er
Fingerabdrücke feststellen — aber die stammten von Helga.
Sämtliche Flaschen wurden eingepackt,
um sie im Labor untersuchen zu lassen. An den bereits geöffneten hatte Kommissar
Glockner geschnuppert, aber keinen verdächtigen Geruch bemerkt.
„Ihr Verdacht, Fräulein Götze, ist
leider berechtigt“, meinte er. „Die Zerstörung der Terrarien kann reine
Bösartigkeit sein — aber auch der Versuch, von etwas anderem abzulenken:
nämlich von einem Giftanschlag. Daß es dem Einbrecher nicht um Bereicherung
ging, beweist, daß er nichts gestohlen hat. Wie man es auch ansieht: Hinter dem
Einbruch steht ein persönliches Motiv. Wollen Sie Ihre Beschuldigung gegen
diesen Harry Jocher aufrechterhalten?“
Helga nickte. „Dazu stehe ich.“
„Ich frage deshalb, weil ich nichts
Greifbares gegen ihn Vorbringen kann — wenn ich ihn vernehme. Wir haben keinen
Beweis, nur Ihren Verdacht. Es könnte die Situation zwischen Ihnen und den
Jochers verschärfen.“
Helga zuckte die Achseln. „Schlimmer
kann’s kaum noch werden. Außerdem bremst es deren Feindseligkeiten vielleicht
etwas, wenn sie sehen, daß ich die Polizei hinzuziehe.“
Kommissar Glockner stand auf. „Dann
werde ich jetzt rübergehen. Fritz“, wandte er sich an Montag, „Sie haben ja
hier noch zu tun. Sehen Sie sich auch die Lebensmittel an.“
Tarzan hatte sich erhoben und war wie
zufällig zur Tür geschlendert. Dort holte Glockner ihn ein.
„Du brauchst gar nichts zu sagen,
Tarzan. Ich weiß, daß du mit willst.“ Er lächelte. „Also, komm!“
Tarzan machte sein harmloses
Kann-kein-Wässerchen-trüben-Gesicht. „Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.
Spitze!“
Sie verließen das Haus, gingen die
staubige Straße entlang, und Tarzan nutzte die Gelegenheit, um Glockner auch
über Maxens hinterhältigen Schnippgummischuß von gestern abend im Kino zu
informieren.
„Das ist häßlich.“ Der Kommissar
schüttelte den Kopf. „Offenbar läßt kein Jocher eine Möglichkeit aus, Fräulein
Götze zu schaden.“
„Auch mit allen Mitteln des Rufmords.
Hier im Dorf gilt sie als Hexe. Was meinen Sie, wem sie das zu verdanken hat.
Nur beweisen läßt es sich leider nicht.“
Glockner erwiderte nichts. Aber sein
Gesicht wurde hart.
Vor dem Jocherschen Haus herrschte Friedhofsruhe.
Niemand war zu sehen. Kein Hund knurrte. Kein Huhn gackerte. Nicht mal die Kühe
in den Ställen muhten.
Glockner klingelte an der Eingangstür.
Tarzan warf einen Blick zu den Fenstern mit den rotweißkarierten Gardinen, sah
aber niemanden.
Die Tür wurde geöffnet. Auf Maxens
breitem Gesicht stand Ablehnung. Offenbar hatte er schon gesehen, wer da kam.
„Kriminalpolizei!“ sagte Glockner. „Ich
möchte Herrn Harry Jocher sprechen.“
Max ließ den Mund offen, glotzte den
Kommissar an, dann Tarzan, wandte den Kopf über die Schulter und entblödete
sich nicht zu dem Ruf: „Harry, bist du da? Hier ist Polizei.“
„Was?“ rief Harry.
Max trat zur Seite. „Kommen Sie rein,
bitte!“
Glockner und Tarzan wurden in einen
Wohnraum geführt. Er war rundum mit hellem Zirbelholz getäfelt — auch die
niedrige Decke. Rustikale Holzmöbel waren gruppiert. Am Tisch saßen Erwin
Jocher und sein Sohn Harry. Beide hatten Bierkrüge mit beachtlichem
Fassungsvermögen vor sich. Ein kleinerer Krug stand vor dem dritten Stuhl. Auf
dem Tisch lagen Spielkarten.
Niemand stand auf. Des alten Jochers
Gesicht wirkte aus der Nähe gedunsen. Er hatte kleine, blaßblaue Schweinsaugen
— offenbar das Beweglichste an ihm, denn er saß da wie ein Denkmal. In seinem
grauen Schnauzbart hing Bierschaum.
Ein widerlicher Kerl! dachte Tarzan.
Mit dem als Nachbarn kann einem Helga nur leid tun.
„Ich bin Kommissar Glockner“, stellte
Gabys Vater sich vor. „Es tut mir leid, daß ich stören muß. Aber bei Fräulein
Götze, Ihrer Nachbarin, wurde eingebrochen. Und erheblicher Schaden
angerichtet. Das geschah etwa zwischen 16 und 18 Uhr. Ich führe die
Untersuchung und muß
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