Hexenjagd in Lerchenbach
Sie zunächst fragen, ob Sie etwas Verdächtiges
wahrgenommen haben.“
Erwin Jocher sagte: „Eingebrochen? Bei
der drüben? Ach, nein! Was sagst du dazu, Harry?“
Harrys dicke Lippen verzogen sich zu
einem Grinsen. Zu sagen hatte er freilich nichts. Er genoß still seine Freude.
„Haben Sie etwas wahrgenommen?“
wiederholte Glockner seine Frage.
„Wir?“ Der Alte schüttelte den Kopf. „Nichts.
Oder hätten wir was wahrnehmen müssen? Hat der Einbrecher auf ‘ner Trompete
geblasen oder ein Feuerwerk abgebrannt?“
„Ich muß Sie bitten, meine Fragen
sachlich zu beantworten“, sage Glockner ruhig. „Falls das hier nicht möglich
ist, lade ich Sie ins Präsidium vor. Das kostet Ihre Zeit.“
Böse glotzte der Alte ihn an. „Nein,
wir haben nichts wahrgenommen“, knurrte er.
Tarzan stellte fest, daß Harry jetzt
andere Kleidung trug. Die von vorhin mußte offenbar noch trocknen.
Er sah durch die Fenster hinaus. Sie
lagen dorfseitig. Von hier konnte man Helgas Grundstück nicht sehen. Die beiden
anderen Fenster wiesen zur Straße. Wer sich dem Haus näherte, wurde von hier
drinnen bemerkt.
„Fräulein Götze hat ausgesagt, daß das
nachbarliche Verhältnis zwischen Ihnen und ihr durch Ihre Feindseligkeiten erheblich
belastet ist. Ferner berichtete sie, daß Ihr Sohn Harry massive Drohungen gegen
sie ausgestoßen hat, als er damals aufgrund ihrer Zeugenaussage verurteilt
wurde. Sind Sie Harry Jocher?“ Glockner wandte sich an den älteren Sohn.
Der nickte.
„Wo waren Sie zwischen 16 und 18 Uhr?“
„Was soll das heißen?“ brüllte der alte
Jocher. „Beschuldigen Sie etwa meinen Sohn?“
„Ich überprüfe, ob er als Verdächtiger
in Frage kommt.“
„Kommt er nicht. Er war den ganzen
Nachmittag hier. Von... von... ein Uhr bis jetzt. Ja, seit dem Mittagessen bis...“
„Das stimmt schon mal nicht!“ schaltete
sich Tarzan mit scharfer Stimme ein. „Zwischen 14 und 15 Uhr war er drüben. Er
flegelte sich in herausfordernder Weise an den Zaun und warf dann eine
brennende Zigarette auf Fräulein Götzes Auto. Anschließend passierte es, daß
ich ihn — rein zufällig, natürlich“, er grinste vielsagend, „mit dem Gartenschlauch
abduschte. Er hat dann gebrüllt und gedroht und ist abgezogen wie ein
begossener Pudel. Wie gesagt: zwischen 14 und 15 Uhr. In dem nahtlosen Alibi,
Herr Jocher, das Sie Ihrem Sohn ausstellen wollen, wäre damit schon mal die
erste Naht geplatzt!“
„Jajaja!“ brüllte der Alte. „Ich habe
mich geirrt. Kommt ja vor. Es stimmt, was der Bengel sagt. Aber danach hat
Harry sich nicht mehr aus dem Haus gerührt. Das nehme ich auf meinen Eid.“
Sein Gesicht lief rot an.
„Bis jetzt nicht?“ fragte Glockner.
„Bis jetzt nicht.“
„Und Ihr Sohn Max?“
„Der auch nicht. Wir haben Karten
gespielt und Bier getrunken. Und gleich wollen wir Abendbrot essen. Hoffentlich
sind Sie mit Ihren Fragen bald fertig.“
„Herr Jocher“, sagte Glockner. „Ich
frage Sie höflich und erwarte höfliche Antworten. Vor allem, bitte, keinen
rüden Ton! Im übrigen behalte ich mir vor, Sie oder Ihre Söhne zum Verhör zu
holen. Ein Alibi von engen Verwandten gilt bei uns nicht viel — auch vor
Gericht nicht. Ich habe das Gefühl, wir sehen uns wieder. Guten Abend!“
Er wandte sich zum Gehen.
Max, der im Hintergrund gestanden
hatte, riß die Tür vor ihm auf.
Als sie vor dem Haus und damit außer
Hörweite waren, fragte Tarzan: „Was meinen Sie: Lügt der Alte?“
„Man könnte es ihm nicht mal
übelnehmen. Immerhin handelt es sich um seine Söhne. Die würde er sicherlich
auf Teufel-komm-raus schützen. Der Haß auf Helga Götze ist allen gemeinsam.“
„Gibt es keine Möglichkeit, den
Einbrecher zu überführen?“
„Das wird schwer. Es sei denn, es
findet sich unverhofft ein Zeuge. Sollten wir Gift in den Likörflaschen
entdecken, wird die Untersuchung natürlich mit allen Mitteln vorangetrieben.
Ich würde dann sofort einen Durchsuchungsbefehl beantragen.“
„Um bei den Jochers nach dem Gift zu
suchen?“
„Genau.“
Als sie zu den anderen zurückkamen, war
Kollege Montag fündig geworden.
„Auf einem größeren Glasstück des
zerschmetterten Spinnen-Terrariums“, berichtete er, „habe ich einen deutlichen
Daumenabdruck gefunden. Von Fräulein Götze stammt er nicht. Ob vom Einbrecher —
das steht dahin. Fräulein Götze sagt, dieser Glasbehälter wurde ihr erst vor
zwei Wochen geliefert. Die beiden Männer der Zoo-Handlung, die ihn brachten
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