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Hexenjagd

Hexenjagd

Titel: Hexenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katica Fischer
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von den Füßen und sank dabei auch schon nach hinten weg. Sie wollte bloß eine Minute ausruhen, nahm sie sich vor, bevor sie ins Bad ging, um sich für die Nacht fertig zu machen. Bewusst das Gezeter vor ihrer Zimmertür überhörend, zog sie die Tagesdecke ein wenig über ihre Beine, atmete ein paar Mal tief durch – und schlief dann augenblicklich tief und fest ein.
    Der Anblick des dunklen, Furcht einflößenden Backsteingebäudes verursachte dem Mädchen eine unangenehme Gänsehaut. Jetzt, in der beginnenden Abenddämmerung, wirkte der Bau, der schon bei Sonnenlicht recht trost- und farblos aussah, noch düsterer und bedrohlicher. Wer auch immer für die Errichtung dieses Hauses verantwortlich gewesen war, dachte sie, hatte sicherlich keinen einzigen Gedanken an Schönheit oder Behaglichkeit verschwendet.
    Den dunklen Umhang fester um die schmalen Schultern ziehend, beeilte sich die junge Frau hineinzukommen, bevor die letzten Sonnenstrahlen der kalt glänzenden Wintersonne hinter den Wipfeln der hohen Tannen verschwanden, die sich um das Anwesen scharten. Schnell schloss sie die Eingangstür und wollte sogleich zum Küchentrakt, um sich einen heißen Tee zu holen. Sie wurde jedoch aufgehalten, weil ein Zipfel ihres Rocks zwischen Tür und Rahmen gefangen war, so dass sie sich erst befreien musste.
    „Wo kommst du jetzt her?“, wehte mit einem Mal eine herrische Frauenstimme durch die eisige Eingangshalle.
    Kaum vernahm das Mädchen diese Worte, da fuhr es auch schon erschrocken zusammen und schaute sich verschüchtert nach der Mutter um, die plötzlich groß und drohend im Türrahmen des Salons stand.
    „Ich war im Dorf“, erklärte die Gefragte leise. „Der Pfarrer hat mich gebeten, die Bücher durchzusehen, um entscheiden zu können, ob sie noch brauchbar sind.“
    „Was hat das mit dir zu tun? Seit wann kümmert sich die Tochter des Verwalters um solche Dinge? Das ist doch wohl die Aufgabe eines anderen!“
    Die junge Frau senkte ergeben den Kopf, weil sie wusste, dass eine Erklärung weder erwünscht war noch wirklich erwartet wurde. Die Mutter war wohl die Letzte, die ein Interesse an der Sonntagsschule aufbrachte, in der die Kinder der Armen im Lesen und Schreiben unterrichtet wurden, denn sie lebte in einer völlig anderen Welt. Für sie zählte nur der offensichtliche Wohlstand, den sie dank der harten Arbeit der Bauern genießen konnte, die sich tagtäglich auf ihren Feldern abmühten, um die Steuern und Ernteabgaben aufbringen zu können, die vom Verwalter und von ihrem Lehnsherrn gefordert wurden. Dass ihre Vorratskammer üppiger gefüllt war als manch eine der Bauern, die zudem eine große Familie zu ernähren hatten, kümmerte sie nicht. Und der Vater war auch nicht viel besser in seiner Gleichgültigkeit. Für ihn war sein Weinkeller viel wichtiger als die Belange der Bauern.
    „Vater hatte keine Zeit.“ Das war nicht ganz richtig, gestand sie sich schuldbewusst ein. Er war zu betrunken gewesen, um sich beim Pfarrer sehen zu lassen. „Deshalb bin ich gegangen.“ Sie nahm den Umhang ab und wollte sich endlich ein wenig aufwärmen, wurde jedoch von einer ungeduldigen Hand aufgehalten, welche sich um ihren Oberarm spannte.
    „Lady Langley war hier“, zischte die ältere Frau böse. „Sie wollte dich sehen. Aber mein Fräulein Tochter war leider nicht anwesend! Was denkst du dir? Weißt du eigentlich, wie peinlich die Situation für mich war? Ich musste für dich lügen!“
    „Was?“, fragte das Mädchen entgeistert.
    „Ja“, schimpfte die Mutter. „Ich musste mir etwas einfallen lassen, damit sie nicht denkt, ich hätte meine Tochter nicht gut erzogen! Wie sollte ich ihr denn auch erklären, dass ich nicht weiß, wo sich mein Fräulein Tochter gerade aufhält? Und wenn ich es gewusst hätte, hätte ich der Dame ja wohl schlecht erzählen können, dass sich meine Tochter mehr um die Belange der stinkenden Bauern kümmert als um ihre Gebete und ihre häuslichen Pflichten!“
    „Es sind keine stinkenden Bauern“, wagte die Gescholtene einzuwenden. „Sie schuften, damit wir genug zu essen …“ Weiter kam sie nicht, denn die mit schweren Ringen besetzte Hand der Mutter klatschte schmerzhaft auf ihre Lippen.
    „Du wagst es?“, schrie sie aufgebracht. „Halt den Mund und erinnere dich an deine gute Erziehung! Habe ich dir etwa beigebracht, deiner Mutter zu widersprechen? Oder hast du das von den Bauernlümmeln gelernt? Wenn das nämlich so ist, wäre es wirklich angebracht, dich

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