Hexenjagd
hätte mich nicht dazu verdonnert. Dafür habe ich nicht drei Jahre lang gebüffelt! Ich …“ Sie brach abrupt ab, weil ihre Kollegin mit einem Mal sehr eigenartig dreinsah. Dem Blick der Freundin folgend, gewahrte sie eine ihr wohl bekannte Gestalt gleich neben sich und wäre am liebsten im Erdboden versunken, weil sie annahm, dass der Neuankömmling mehr gehört hatte, als ihr lieb war.
„Darf ich mich anschließen?“ Redehof Junior wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern stellte sogleich sein Tablett auf den Tisch und setzte sich auf den freien Stuhl unmittelbar neben Celiska. „Riecht köstlich“, stellte er lächelnd fest. „Hoffentlich schmeckt es auch so gut.“
Die beiden Frauen tauschten unsichere Blicke, die mehr als deutlich machten, wie unangenehm ihnen die Situation war. Da sie aber nicht unhöflich sein wollten, ließen sie ihn kommentarlos gewähren, sahen ihm schweigend zu, derweil er seine Mahlzeit mit Appetit verspeiste, rührten ihr eigenes Essen jedoch nicht mehr an.
Erst als Verena aufstand, um ihr Tablett wegzubringen, fühlte sich auch Celiska in der Lage, etwas zu unternehmen. Mit einem entschuldigenden Lächeln auf den Lippen stand auch sie auf, murmelte etwas von dringender Arbeit und ging hastig davon. So was Blödes, seufzte sie innerlich. Jetzt hatten die Schwätzer zusätzliches Material, um sich die Mäuler zu zerreißen! Dass sich der Junior ausgerechnet ihren Tisch ausgesucht hatte, war bestimmt kein Zufall, würden sie sagen. Dass aber die anderen Tische alle voll besetzt gewesen waren, würde keiner erwähnen!
Celiska wusste durchaus um die unberechenbare Bosheit ihrer Kolleginnen, die aus nacktem Neid zu allerlei Lügen fähig waren. Schließlich hatte sie als Lehrmädchen mehr als eine Intrige miterleben müssen, die einer „unbeliebten Person“ gegolten hatte. Und die Vermutung, dass sie diesmal nicht Beobachter, sondern Ziel solcher Machenschaften werden würde, schnürte ihr die Kehle zu. Das Gefühl einer unbestimmten Bedrohung wurde immer zwingender, obwohl sie sich immer wieder mit dem Gedanken zu beruhigen suchte, dass es überhaupt keinen Grund gab, sich vor irgendetwas zu fürchten. Lächerlich, dachte sie schließlich. Da machte sie sich Gedanken darüber, was andere Menschen über sie sagten, wo es doch völlig gleichgültig war. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen.
2
Da der Juniorchef geschäftlich unterwegs war, hatte Celiska ein wenig Muße, um die Wohnungsanzeigen zu studieren. Dass sie nach einer eigenen Bleibe suchte, wusste die Mutter bereits. Und obwohl diese seither ständig am Rande eines Nervenzusammenbruchs schien, wollte Celiska ihren Entschluss nicht rückgängig machen.
Sie war hin- und hergerissen zwischen Liebe und Pflichtbewusstsein auf der einen Seite, zwischen einem quälenden Schuldgefühl, weil man ihr ständig vorhielt, wie undankbar und selbstsüchtig sie sei, und der stillen, aber stetig stärker werdenden Rebellion gegen die Herrschsucht und den Egoismus der Mutter, deren zänkisches Verhalten Celiskas heimlichen Zorn ständig schürte. Sie meinte, auf einem Vulkan kurz vor dem Ausbruch zu stehen, unfähig, selbst etwas an ihrer Situation zu ändern. Zusätzlich wurde sie immer wieder durch ihre Träume verunsichert, deren Grund und Bedeutung sie einfach nicht begreifen konnte. Es waren keine normalen Träume, stellte sie einmal für sich fest. Keine wirren oder zusammenhanglosen Bilder, die in unregelmäßigen Abständen auftauchten, um dann sofort wieder im Nebel des Vergessens zu verschwinden, wie es eigentlich sein sollte. Nein! Einem Fortsetzungsroman gleich, reihte sich in chronologischer Folge ein Erlebnis an das andere und erweckte so zwangsläufig den Eindruck, die Schlafende tauche im Traum in ein völlig anderes, erschreckend real wirkendes Leben ein, um dort gleich-sam von Schwierigkeiten verfolgt zu werden.
„Hei!“ Verena steckte den Kopf zur Tür herein. „Bist du allein?“
„Komm nur.“ Celiska grinste erfreut, während sie die Freundin herein winkte. „Wir haben sturmfreie Bude.“
Verena gehorchte, doch warf zunächst einen kurzen prüfenden Blick über die Schulter, bevor sie den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss.
„Warum kommst du nicht hinunter?“, fragte sie ernst, während sie auf dem Besucherstuhl Platz nahm. „Du gibst ihnen nur noch mehr Munition. Wenn du dich total abkapselst, sehen sie sich in ihren Vermutungen bestätigt. Das solltest du wirklich nicht zulassen!“
In
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