Hexenkatze - Roman
Großvater er ist, hat sich, seit sie sprechen kann, nie die Freiheit herausgenommen, ihn Opa zu rufen. Er ist wirklich nicht der Typ dazu. Sie gluckste schon mit einem Jahr: »Pa!«, wenn er kam.
»Hallo, Pa! Hey, eine scharfe Kiste fährst du da«, hörte ich sie an der Tür rufen.
»Na, na, Michaela. Herzlichen Glückwunsch nachträglich zu deinem Geburtstag.«
»Danke. Und danke auch für die Bücher.«
»Mh. Ist deine Mutter auch in diesem Haus zu finden?«
»Mam!«
»Bin doch schon da. Hallo, Vater. Komm herein in unsere neue Behausung. Ich hoffe, du bist einverstanden mit dem Teil, den ich mit deinem Zuschuss erstellt habe.«
»Das werde ich sicher gleich sehen!« Er nahm mich in den Arm und gab mir einen kühlen Kuss auf die Wange. »Du siehst gut aus, Deborah.«
»Willst du dein Gepäck nicht aus dem Auto holen?«
»Nein, danke. Ich will euch nicht zur Last fallen, ich habe in diesem Dorfhotel ein Zimmer gemietet. Das ist für uns alle bequemer.«
»Du willst dich nur nicht den Gefahren eines Frauen-Haushaltes aussetzen.«
»Auch ein Grund mit.«
Fair ist er, großzügig, erfolgreich, ein Fels, an den man sich lehnen kann, aber Humor hat er leider wenig. Manchmalfrage ich mich, wie meine Mutter es mit ihm ausgehalten hat. Sie hatte nämlich sehr viel davon. Leider starb sie, als ich sechzehn war. Und sogar heute, nach fast zwanzig Jahren, vermisse ich sie noch.
Mein Vater sah sich unter Mickis stolzer Führung das Haus an und kam anschließend zu mir ins Wohnzimmer. Ich stellte ihm eine Tasse Kaffee hin, und er zeigte Zustimmung.
»Hübsches Häuschen für euch zwei. Ich hatte ja erst Bedenken, als du so ganz selbständig die Sache abwickeln wolltest, aber mit dem Objekt hast du Glück gehabt.«
»Vater, deine Bedenken in allen Ehren, aber ich bin inzwischen wirklich erwachsen genug, solche Geschäfte ohne deine Hilfe abzuwickeln.«
»Deborah, du hast eine Art, Rat von älteren Personen abzulehnen, die manchmal etwas brüskierend ist.«
Woran erinnerte mich das? O ja, der lebenserfahrenere Herr Nachbar.
»Genau das, was mir unser Nachbar auch immer predigt.«
»Was denn, dein Nachbar meint, er müsse dir Ratschläge erteilen?«
Natürlich hat ein Vater einen Ausschließlichkeitsanspruch auf die Verteilung guter Ratschläge. Ich musste grinsen.
»O ja, das meint er recht häufig. Und zu vielen Themen, einschließlich Kindererziehung.«
»Soll ich mal ein paar Takte mit ihm reden?«
Olala, ich weiß, was das bedeutet, wenn der Herr Geschäftsführer ein paar Takte zu reden androht. Das könnte eine erheiternde Vorstellung geben.
»Nur zu, Vater. Vielleicht macht es mir das Leben anschließend etwas leichter.«
»Was ist denn das für ein Mensch?«
»Oh, so ein Typ vom Bau. Du kennst die Firma.« Ich nannte ihm die Baugesellschaft, deren Helm in seinem Wagen prangte.
»Und was macht er da?«
»Was weiß ich? Rohre biegen, Zement anrühren, Steine zusammenlöten. Was immer man so am Bau macht.«
Ich sah den Widerwillen in den Augen meines Vaters. Ein ungehobelter Bauarbeiter erdreistet sich, sich in die Angelegenheiten seiner Tochter zu mischen.
»Ich werde ihn heute Abend mal aufsuchen, denke ich.«
Ich musterte meinen Vater. Er trug einen perfekt sitzenden grauen Anzug und eine Seidenkrawatte in einem dezenten Paisley-Muster. Seine vollen grauen Haare waren wie immer exakt geschnitten, sein Gesicht war noch leicht gebräunt. Man sollte ihm die Hauptrolle in einem Wirtschaftsthriller anbieten. Um die Situation besonders pikant zu gestalten, hoffte ich für Harburg, dass er heute wieder im Blaumann im Garten arbeitete.
Er tat es zu meiner und Mickis Freude. Und Vater setzteseinen Jovialen auf, als er aus der Terrassentür trat. Ich hörte es zwar nicht, aber ich war mir sicher, er sprach ihn mit »gu ter Mann« an. Und das war meine höchstpersönliche Genugtuung für diverse »junge Frauen«, die mir zuteil geworden waren.
Was mich allerdings stark verwunderte, war, dass ich meinen Vater an diesem Abend nicht mehr wiedersah. Als er um halb elf noch immer nicht aufgetaucht war, löschte ich die Lichter und ging zu Bett. Sein Hotel würde er schon selbst finden.
Irgendwann nach Mitternacht hörte ich das Auto vor dem Haus wegfahren.
»Deborah, das war kein ganz geschmackvoller Scherz, den du dir da mit mir erlaubt hast!«
»Was für ein Scherz?«
Wir saßen in dem kleinen, aber gepflegten italienischen Restaurant, das ich so liebe. Es heißt »La Strega«, und Mamma, eben
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