Hexenkessel
Maurice undeutlich. »Ich kann selber fahren …«
»Aber ich kann’s besser«, entgegnete der stämmige Butler ungerührt. Er nahm Newman seine Last ab. »Ich bringe ihn nach Hause. Auf dem Highway One sind immer Streifenwagen unterwegs.«
Mühelos dirigierte er Maurice aus dem Restaurant. Sowie sie außer Sichtweite waren, kam Pete Nield zu Newman herüber und hob resigniert die Hände.
»Der Bursche war schon in der Bar, bevor wir kamen. Hat einen doppelten Brandy nach dem anderen hinuntergegossen.«
»Harry wird ihn sicher nach Hause bringen. Wollen Sie nicht hereinkommen und uns Gesellschaft leisten?«
»Ich warte draußen im BMW …«
Grenville sprach gerade entschuldigend auf die anderen ein, als Newman zu seinem Platz zurückkehrte.
»Ich verstehe nicht, was in Maurice gefahren ist. Hab’ ihn noch nie so erlebt. Wäre aus dem Club rausgeflogen, wenn er sich da so aufgeführt hätte. Und das wird er auch, wenn er sich bei uns so aufführt.«
»Sie haben noch nie erlebt, daß er zuviel trinkt?« hakte Tweed ein. »Wollten Sie das damit sagen?«
»Gewissermaßen.« Wieder zupfte Grenville an seinem Schnurrbart und blickte zu Paula hinüber, die immer noch aus dem Fenster schaute. »Er gießt sich ganz gern einen hinter die Binde, aber wer tut das nicht? Übrigens steigt heute abend eine kleine Clubparty. Kommen Sie doch vorbei - Sie alle - und schauen Sie mal rein. Hier haben Sie die Adresse. Sie sind herzlich willkommen.« Er warf einen Blick auf Marler. »Das gilt auch für Sie, obwohl Sie nicht gerade gesprächig sind, Sir.«
»Manchmal finde ich es interessanter, einfach zuzuhören«, meinte Marler schleppend.
Paula folgte der Unterhaltung nur mit halbem Ohr, während sie auf den tosenden Pazifik hinabblickte. Sie war überzeugt, daß Maurice seine Trunkenheit nur vorgetäuscht hatte. Erneut krachte eine gigantische Welle gegen die Felsen von Rocky Point. Sie schien den brodelnden Hexenkessel, genannt Kalifornien, zu versinnbildlichen.
22.
Sie waren gerade im Begriff, das Restaurant zu verlassen, als Newman sich entschuldigte und auf den Eingang zur Bar zusteuerte. Paula sah ihm nach und erstarrte. Eine attraktive, ihr wohlbekannte Frau begrüßte ihn herzlich. Vanity Richmond trug einen hellgrünen Hosenanzug und wirkte so schillernd wie eh und je.
»Schauen Sie mal, wen wir hier haben!« rief Newman, als er sie zu der Gruppe führte. »Hatte ich nicht vorhin festgestellt, daß die Welt klein ist?«
»Hallo, alle miteinander.« Vanity setzte ein bezauberndes Lächeln auf, als Newman ihr Paula vorstellte. »Ich erinnere mich an Sie«, fuhr sie fort. »Sie hatten im Nansidwell Country Hotel in Cornwall einen Tisch ganz für sich alleine. Wir bekamen leider nie die Gelegenheit, uns ein wenig zu unterhalten.«
»Die haben Sie ja jetzt«, bemerkte Newman vergnügt.
Tweed beschränkte sich auf ein knappes Nicken, als sie sich die Hände schüttelten, und sagte nichts. Paula beobachtete Vanity, die klassisch geformte Nase, die grünlichen Augen, denen nichts zu entgehen schien, die gute Figur. Ihre vollen roten Lippen schienen ständig zu lächeln, und sie freute sich anscheinend aufrichtig, Paula wiederzusehen.
»Wo sind Sie denn hier untergekommen?« fragte Newman.
»Im Spanish Bay, dem Hotel an der Küste ein Stück außerhalb von Monterey. Ich habe da schon während eines früheren Besuchs gewohnt«, sagte sie, an Paula gewandt. »Vielleicht haben wir beide diesmal mehr Zeit, uns näher kennenzulernen. Letztes Mal hier in Kalifornien wirkten Sie irgendwie abweisend.«
»Letztes Mal mußte ich auch eine ziemlich unerfreuliche Erfahrung machen«, erwiderte Paula, wobei sie Vanity, die ihre flammendrote Mähne in den Nacken geworfen hatte, scharf ansah. »Ich habe eine tote Frau aus dem Wasser gezogen.«
»Also Sie waren diejenige, die sie gefunden hat. Wie schrecklich. Ich las in der Zeitung, daß eine von zwei Zwillingsschwestern in Kalifornien gefunden und die andere in Cornwall an Land gespült worden wäre. Das muß Ihnen ja einen richtigen Schock versetzt haben …«
»Ihr beide könnt in meinem Wagen weiterplaudern«, unterbrach Newman.
»Aber mein Audi steht dort drüben …«
»Leihen Sie mir Ihre Schlüssel, dann fahre ich ihn für Sie zurück«, schlug Marler vor.
»Ich wohne auch wieder im Spanish Bay«, erklärte Paula Vanity.
Immerhin schien dies eine gute Gelegenheit zu sein, die geheimnisvolle rothaarige Frau besser kennenzulernen; außerdem hatte Paula belustigt zur
Weitere Kostenlose Bücher