Hexenkessel
Kenntnis genommen, daß Newman die ganze Zeit schon strahlte wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum. Vanity bedankte sich bei Marler, reichte ihm ihre Autoschlüssel und sah ihm dabei tief in die Augen.
Auf der Rückfahrt hatten sich die dunklen Wolken verzogen, und der Tag war wieder strahlend und sonnig. Paula saß neben Vanity auf dem Rücksitz und unterhielt sich angeregt mit ihr; Tweed, der vorne neben Newman saß, hüllte sich in Schweigen.
Hinter Newman kam der von Marler gelenkte Audi - und in einiger Entfernung folgte ihnen der BMW mit Butler am Steuer, Maurice auf dem Beifahrersitz und Pete Nield auf der Rückbank. Tweed fragte sich, weshalb sich ihr Aufbruch wohl verzögert haben mochte.
Tatsächlich war Maurice übel geworden, sowie er vor dem Restaurant von Rocky Point in den BMW gestiegen war, und Butler hatte ihn zur Toilette begleitet und vor der Tür auf ihn gewartet. Nun, auf dem Rückweg über den Highway One, stellte er überrascht fest, wie rasch Maurice sich erholte.
»Tut mir leid, daß ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten bereitet habe, Kumpel«, entschuldigte er sich bei Butler. »Sie waren natürlich vollkommen im Recht, ich durfte nicht mehr fahren. Ich mache mich auch nicht oft so zum Narren, aber leider habe ich große Sorgen.«
»Sorgen?« Butler warf ihm einen fragenden Blick zu. »Was liegt Ihnen denn auf der Seele?«
»Die ganze Situation hier - in Kalifornien und im Anglo-Pacific-Club.«
»Ist irgend etwas ungewöhnlich daran?« fragte Butler beiläufig.
»Ich kann es nicht genau erklären, aber etwas geht hier vor. Ich habe so eine Ahnung, als würde es bald zu einer furchtbaren Katastrophe kommen.«
»Was für einer Art von Katastrophe denn?« erkundigte sich Butler interessiert.
»Weiß nicht. Zwischen ein paar Leuten, die ich kenne, herrscht ziemliche Spannung. Kann Ihnen leider keine Namen nennen.«
»Sehr hilfreich«, kommentierte Butler. »Und warum nicht?«
»Weil ich sichergehen muß, daß ich die richtigen Leute verdächtige.«
Genau wie Tweed, dachte Nield auf dem Rücksitz. Macht Andeutungen und läßt uns dann im Regen stehen.
»Wir sind kurz vor Carmel.« Maurice deutete nach vorn. »In einer Minute müssen Sie den Highway verlassen. Soll ich Sie lotsen?«
»Tun Sie das.«
»Ich wohne hier - auf der Junipero Street«, sagte Maurice wenig später. »Bitte halten Sie hier.«
»Ich komme mit Ihnen«, erklärte Butler entschieden, »und bringe Sie sicher in Ihre Hundehütte.«
»Nicht nötig …«
Butler überhörte die Ablehnung, stieg aus und ging neben Maurice über einen kleinen gepflasterten Hinterhof. Maurice deutete auf eine schmiedeeiserne Treppe.
»Dort oben wohne ich jetzt.«
»Jetzt?« wunderte sich Butler.
»Bin eben eingezogen. Die Wohnung wurde plötzlich frei, und da habe ich zugegriffen. Hier hat ein Mord stattgefunden, und die Polizei hat sie gerade erst wieder freigegeben, deshalb ist die Miete auch so niedrig. Die meisten Menschen scheuen vor der Vorstellung zurück, in einem Apartment zu hausen, in dem jemand gewaltsam zu Tode gekommen ist. Der Vermieter wollte sie schnell wieder loswerden.«
»Ich bringe Sie noch nach oben. Wer wurde denn ermordet?«
»Eine Privatdetektivin namens Linda Standish. Zum Glück habe ich keine Angst vor herumspukenden Geistern. Danke fürs Nachhausebringen.«
»Keine Ursache …«
Im Spanish Bay angekommen stellte Paula überrascht fest, daß man ihr dieselbe geräumige Suite gegeben hatte, die sie schon bei ihrem vorigen Besuch bewohnt hatte. Der Service der Spitzenhotels in den Staaten war wirklich erstklassig.
Tweed, dessen Gepäck auf ein anderes Zimmer gebracht worden war, kam auf ihre Bitte hin kurz mit herein, und Paula lud auch Vanity ein, sich zu ihnen zu gesellen und ihre Unterkunft zu besichtigen. Die beiden Frauen inspizierten die Suite, während Tweed sich an der großen gläsernen Schiebetür zu schaffen machte, sie aufschob und auf die mit Stühlen und einem Tisch möblierte Terrasse hinaustrat. Seufzend ließ er sich in einen Stuhl sinken.
»Die Suite ist toll - einfach super«, begeisterte sich Vanity, als sie ins Badezimmer gingen. »Hoppla, eigentlich versuche ich ja, Amerikanismen zu vermeiden. Sehen Sie mal, ein Jacuzzi und eine riesige Duschkabine! Wow, einfach großartig!«
»Möchten Sie etwas trinken?« fragte Paula, sich auf ihre Gastgeberpflichten besinnend.
Sie begutachtete die gutgefüllte Minibar im Wohnzimmer, entnahm ihr eine Flasche Chardonnay und hielt sie
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