Hexenkessel
das Steuerrad ergriff.
Sie umrundeten eine kleine Klippe, bis die Baja auf der Steuerbordseite ihrer Barkasse auftauchte. Die Wasseroberfläche war spiegelglatt, das Meer so ruhig, daß noch nicht einmal Tweed Grund zur Klage gehabt hätte, dachte Paula. Am Heck des riesigen Schiffes war ein Motorboot festgemacht. Als sie sich der Baja bis auf Hörweite genähert hatten, ergriff Alvarez ein Megafon. Er räusperte sich und begann: »Achtung, hier spricht die Polizei …«
Weiter sollte er nicht kommen. Wie aus dem Nichts waren Männer auf dem angeblichen Schwimmbagger erschienen und in das Motorboot gesprungen. Der Motor erwachte dröhnend zum Leben, und das wendige Boot schoß mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sie zu. Zu ihrem Entsetzen erkannte Paula in dem großen Mann hinter dem Steuer Joel Brand. Offenbar gedachte er, die Vorstellung, die er damals auf dem Helford River in Cornwall gegeben hatte, als er versuchte, ihr Schlauchboot über den Haufen zu fahren, hier mit mehr Erfolg zu wiederholen.
Das Motorboot raste weiterhin auf sie zu und beschleunigte jetzt so stark, daß sich der Bug aus dem Wasser hob. Es war groß und stabil genug, um ihre Barkasse in zwei Teile zu reißen. Alvarez warf das Steuer herum, doch Brand folgte seinem Manöver und behielt seinen Kollisionskurs bei. Newman packte die Handgranate, zog die Schutzkappe ab, zählte lautlos bis zehn und holte aus. Die Granate wirbelte durch die Luft und landete im Heck des Motorbootes.
Paula sah, daß Brand, der eine Wollmütze auf dem Kopf trug, das Steuer losließ und mit einem Satz über Bord sprang, ohne sich um die anderen Männer im Boot zu kümmern. Mit den kräftigen, weit ausholenden Zügen des geübten Schwimmers begann er auf die Küste zuzukraulen, als hinter ihm die Granate detonierte.
Es gab eine fürchterliche Explosion, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Dröhnen, mit dem der Tank in die Luft flog. In Sekundenschnelle war das ganze Boot von hoch aufzüngelnden Flammen eingeschlossen. Ein Teil des Hecks wurde in die Höhe geschleudert und landete dann, einen Flammenschweif hinter sich herziehend, wieder im Wasser, wo es zischend unterging.
»Weiterhin nach Plan vorgehen«, befahl Alvarez.
Er lenkte die Barkasse um das auf der Wasseroberfläche treibende Wrack herum. Sowie sie nahe genug an die Baja herangekommen waren, wies er die Froschmänner an, von Bord zu gehen. Einer nach dem anderen verschwand unter Wasser und paddelte in Richtung des Rumpfes des großen Schiffes davon. Paula nahm ihr kleines Fernglas zur Hand und suchte damit das Deck der Baja ab.
»Komisch«, wunderte sie sich. »Kommt mir so vor, als wäre überhaupt niemand an Bord.«
»Die Besatzung hält sich wohl unter Deck auf«, meinte Alvarez.
»Das Ding sieht wie ein Geisterschiff aus.«
»An Bord dieses Kolosses spukt noch etwas ganz anderes herum als ein Geist«, erwiderte Alvarez abwesend und sah auf die Uhr. »Sie dürften höchstens fünf Minuten brauchen, um alles gründlich zu untersuchen.«
Langsam kreuzten sie auf der Steuerbordseite der Baja hin und her. Noch immer zeigte sich keine Menschenseele an Deck, und, schlimmer noch, zehn Minuten später war auch keiner der Froschmänner wieder zum Vorschein gekommen. Alvarez, der sich Sorgen zu machen begann, steuerte die Barkasse vom Bug der Baja hin zur Backbordseite und konnte gerade noch einen Blick auf eine Gestalt in einem Taucheranzug erhaschen, die flink eine Leiter hochkletterte und an Deck verschwand.
»War das einer von Ihren Männern?« erkundigte sich Paula. »Er hatte etwas dabei, das wie eine Heugabel aussah.«
»Zu meinen Leuten gehört der nicht«, erwiderte Alvarez finster.
»Und ich vermute, daß er einen dieser elektrischen Abwehrstäbe bei sich trug, die Taucher benutzen, um sich unliebsames Meeresgetier vom Leibe zu halten«, warnte Newman.
Plötzlich beugte sich Paula über die Bordwand und griff nach einem auf dem Meer treibenden Gegenstand. Es handelte sich um die Unterwasserkamera, die einer der Froschmänner bei sich gehabt hatte. Sie reichte sie Alvarez, der sie prüfend musterte und dann an Newman weitergab.
»Die Angelegenheit wird immer rätselhafter. Diese Spezialkameras sind nicht gerade billig. Wenn ein Froschmann sie aus Versehen losläßt, steigt sie von selbst zur Wasseroberfläche auf. Was zum Teufel ist mit dem Besitzer dieser Kamera geschehen?«
»Er ist durch einen Stromschlag getötet worden - wie die anderen beiden auch«, sagte Newman leise. »Unsere
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