Hexenkessel
Butler nach einiger Zeit bei der Nachtwache ablösen.
Als nächstes ging sie zu der gutgefüllten Minibar, wählte eine Flasche Chardonnay und eine Miniaturflasche Grand Marnier und schenkte Tweed, ohne ihn vorher zu fragen, ein Glas Wein ein. Sich selbst genehmigte sie ein kleines Glas von dem Likör. Erst als sie es sich auf der Couch neben dem Kamin bequem gemacht hatte, ergriff sie das Wort.
»Der Wein ist für Sie«, sagte sie Tweed und reichte ihm das Glas. »Er wird Ihnen helfen, sich zu entspannen.«
»Danke.«
Er tigerte immer noch mit langsamen, mechanischen Schritten durch den Raum, offenbar tief in Gedanken versunken.
»Wenn ich einen Schwips bekomme, müssen Sie mich in mein Zimmer zurückbringen«, scherzte sie.
Wie sie gehofft hatte, tat der Wein seine Wirkung. Tweed setzte sich ihr gegenüber in einen Lehnsessel, schenkte sich nach, trank einen kleinen Schluck, setzte dann das Glas ab und blickte sie an.
»Sie denken, sie hätten uns ausgeschaltet«, grollte er.
»Durch die Bombe, meinen Sie?«
»Nein, ich meine Moloch und seine Mannschaft. Ich beziehe mich auf den Druck, den VB auf Washington ausgeübt hat. Was die Bombe angeht, so wäre ich sehr erstaunt, wenn er von dem Anschlag gewußt hätte.«
»Was veranlaßt Sie zu dieser Annahme?«
»Meine Beurteilung seines Charakters sowie der Umstand, daß die Explosion des Elektronikkonzerns zuhause im Thames Valley sorgfältig geplant wurde, um Tote und Verletzte zu vermeiden. Das war zweifellos sein Werk. Nur der amerikanische Konkurrent war die Zielscheibe, sonst niemand.«
»Sie sagten, unsere Gegner würden denken, sie hätten uns ausgeschaltet«, erinnerte sie ihn.
»Ja. Moloch ist schlau und gerissen. Das muß er auch sein, sonst hätte er im Dschungel des amerikanischen Geschäftslebens nur schwerlich überlebt. Nun werden wir ebenso gerissen vorgehen. Ich möchte, daß Sie morgen zur Hotelrezeption gehen und dort sechs Plätze für einen Flug von San Francisco nach London buchen. Kein Datum, die Tickets müssen jederzeit benutzbar sein. Auf unsere Namen. Beziehen Sie Alvarez mit ein, und seien Sie nicht diskret, sondern sprechen Sie ruhig mit erhobener Stimme. Dann sagen Sie Bescheid, daß wir unsere Zimmer vorläufig behalten werden und es rechtzeitig wissen lassen, ob und wann wir abreisen.«
»Wir reisen ab?«
»Wir bleiben«, knurrte Tweed.
»Ach so, ein Tarnmanöver.«
»Genau das. Ich bin sicher, Moloch hat einen Spion, der das Hotel ständig überwacht, vielleicht sogar mehrere der Gäste, die unsere Schritte verfolgen sollen. Er wird denken, wir hätten aufgegeben.«
»Was jedoch nicht der Fall ist,«
»Keineswegs«, entgegnete er etwas ruhiger. »Wir werden jetzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit Moloch gegenüber in die Offensive gehen und seine Pläne so gut wie möglich vereiteln. Wir befinden uns auf feindlichem Gebiet. Keine weitere Unterstützung aus Washington. Also spielen wir das Spiel jetzt auf die rauhe Tour.«
Es war die Bombe, die Tweed veranlaßt hatte, eine härtere Gangart einzulegen. Der Gedanke, daß sie in Paulas Nähe hätte detonieren können, trieb ihn zur Weißglut. Er gedachte, zum Gegenschlag auszuholen, und diesmal würde er seine Gegner nicht mit Samthandschuhen anfassen. Eine eiskalte Wut hatte sich seiner bemächtigt. Dies war Amerika. Nun, dann würde er auch nach amerikanischen Regeln spielen.
»Diese Verabredung zum Lunch morgen mit Vanity Richmond könnte eine Falle sein«, warnte Paula.
»Das vermute ich auch. Also werden wir hineintappen und die Fallensteller mit ihren eigenen Waffen schlagen.«
»Glauben Sie, Vanity weiß, daß es sich um eine Falle handelt?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
Er tat diese Möglichkeit mit einer Handbewegung ab, als sei sie vollkommen unwichtig. Dann nippte er erneut an seinem Wein. Paula hatte ihn selten so energiegeladen erlebt.
»Ich glaube, Moloch benutzt eine unverdächtig wirkende Person, die anscheinend nicht zu seinem näheren Umfeld gehört, als Spion. Ich kann sie förmlich wittern, aber bislang leider noch nicht identifizieren. Es würde mich nicht überraschen, wenn derjenige - wer immer es sein mag - auch mit Cornwall zu tun hat.«
»Das engt das Feld der Verdächtigen ein.«
»Nicht genug. Es halten sich hier einige Leute auf, die zur gleichen Zeit wie wir in Cornwall waren.«
»Unter anderem Vanity Richmond.«
»Unter anderem Vanity Richmond«, stimmte Tweed zu. »Also lautet das Motto von nun an: Traue keinem,
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