Hexenkessel
nicht ein einziges anderes Fahrzeug begegnet, und das Gebiet rund um den Damm lag gleichermaßen verlassen da. Newman blieb stehen, hob das Fernglas an die Augen und stellte die Schärfe ein.
»Das da muß Mullion Towers sein - das Haus dort oben auf dem Bergkamm.«
»Sind Sie sicher?« fragte Paula. »Meiner Meinung nach ist dies eine sehr unwirtliche Wohngegend.«
»Ich bin mir ziemlich sicher. An jeder Ecke steht ein mit Wasserspeiern geschmückter Turm. Die Fenster haben alle Mittelpfosten. Welches Haus hier in der Gegend könnte es denn sonst noch sein?«
Paula blickte über ihre Schulter und sah, daß Marler ein Stückchen hinter dem Mercedes angehalten hatte. Er stand neben seinem Saab und beugte sich gerade in das Wageninnere. Sie vermutete, daß er sein Armalite-Gewehr überprüfte. Butler hatte sein Motorrad hinter einer Mauer verborgen. Wieder blickte sie zu dem abgelegenen Haus hinüber und fühlte sich unwillkürlich abgestoßen.
Die lange, schroffgezackte Bergkette, auf der das Gebäude erbaut worden war, erstreckte sich fast eine Meile abwärts in ihre Richtung und wirkte trostlos und kahl, da auf den Abhängen nicht ein einziger Baum oder Busch wuchs. Newman betrachtete das Haus Meter für Meter. Der riesige Granitklotz bestand aus drei Stockwerken, und die hohen Türme wurden noch von einem Mast überragt, an dem eine Reihe von Antennen sowie eine Comsat-Schüssel angebracht waren. Die elektronische Ausstattung ähnelte der der Venetia, was ihn endgültig davon überzeugte, das gesuchte Objekt gefunden zu haben.
»Es handelt sich wirklich um Mullion Towers«, sagte er.
»Diese ganze Gegend ist eine einzige öde Wildnis«, bemerkte Paula ohne große Begeisterung. »Ich komme mir hier vor wie in der Wüste.«
Newman war bereits dabei, die steile Böschung zum Damm hinunterzuklettern. Paula folgte ihm rasch. Dem stillen Damm haftete etwas Unheimliches an, und sie wurde von Minute zu Minute unruhiger.
»Es ist in der Tat die reinste Wildnis«, stimmte Newman ihr zu. »Nirgendwo ein Zeichen dafür, daß hier noch andere Menschen leben, also genau der Ort, an den sich ein geheimnisvoller Milliardär zurückziehen würde.«
Halbhohe, in einem scheußlichen, schon fast ins Violette schimmernden Blau gestrichene Geländer sicherten beide Seiten des Fußweges oben auf dem Damm. Die kleinen Tore an jedem Ende des Weges schienen verschlossen zu sein. Nach ein paar Minuten kamen sie zu einem weiteren hohen, verriegelten Tor, an dem ein Schild hing, welches Passanten warnte, nicht weiterzugehen. Hoch über ihnen ragte der Damm bedrohlich auf.
Newman blickte nach oben und schätzte die Entfernung vom Weg bis zum Fuß des Dammes, wo die Wände sich nach außen neigten. Jeder, der in der Mitte des Dammes über das Geländer fiel, würde den Sturz schwerlich überleben.
Hier unten wurde die nervtötende Stille von dem leisen Gluckern des Wassers unterbrochen, das unter dem Damm hindurchfloß. Und ein weiteres, noch unangenehmeres Geräusch mischte sich in dieses Gurgeln - das Rattern von Hubschrauberrotoren. Sowohl Newman als auch Paula schauten zum Himmel und sahen einen Hubschrauber, der in ungefähr dreihundert Metern Höhe über ihren Köpfen kreiste.
»Sollen wir versuchen, uns irgendwo zu verstecken?« schlug Paula vor.
»Hier gibt es keine Versteckmöglichkeit. Gehen Sie ganz einfach ruhig mit mir zum Auto zurück, wie normale Touristen es tun würden.«
»Es könnte sich um einen Hubschrauber handeln, der zu dem großen Trainingsflugplatz der RAF in Culdrose gehört«, überlegte Paula laut, während sie zum Auto zurückschlenderten. »Der Hotelbesitzer hat mir davon erzählt.«
»Möglich.«
»Aber Sie glauben nicht daran?«
»Nein, denn als ich damals mit Marler unten an der Höhle war, hatte ich Gelegenheit, mir die Venetia etwas genauer anzusehen. Auf dem hinteren Teil des Schiffes befand sich ein Hubschrauberlandeplatz, und darauf stand genau so ein Helikopter wie der, der jetzt über uns kreist.«
»Demnach könnten sie wissen, daß wir kommen?«
»Sie werden es wissen. Der Pilot wird Moloch per Funk warnen. Er hat sein Haus nicht umsonst mit so ausgeklügelter Nachrichtentechnik ausgestattet.«
»Sollen wir wirklich weitermachen? Ich bin zwar eine Spielernatur, aber wenn der Gegner von unserem Kommen unterrichtet ist …«
»Sehen wir uns erst einmal die Ausrüstung an, die Marler mitgebracht hat. Auch Harry hat stets seine Werkzeugtasche bei sich. Der ganze Besitz ist von einer
Weitere Kostenlose Bücher