Hexenkessel
setzten sich offene Gepäckwagen, die mit bewaffneten Polizisten bemannt waren. Als der Pilot die schwere Boeing über die Rollbahn lenkte, trieben die Beamten die tobende Menschenmenge zurück, die sie mit einer Flut von Beschimpfungen überschüttete.
Plötzlich lösten sich zwei vor Wut und Todesangst halbverrückte Männer aus der Masse, rannten an dem voranrollenden Flugzeug vorbei und legten sich der Maschine in den Weg. Unter Einsatz ihres Lebens sprangen vier Polizisten von dem vordersten Wagen, liefen auf die Männer zu, packten sie und zerrten sie zur Seite. Tweed unterdrückte einen erleichterten Seufzer, doch gleichzeitig spürte er das Zittern, mit dem sich ein weiterer Erdstoß ankündigte.
Ein schmaler Spalt zog sich quer über die Startbahn. Tweed zwang sich, einen unbeteiligten Gesichtsausdruck beizubehalten, um Paula nicht noch mehr Angst einzujagen, doch sie hatte die Erschütterung gleichfalls bemerkt.
»Was war das?« fragte sie erschrocken.
»Der Pilot hat die Bremsen getestet«, beruhigte Tweed sie rasch.
Im Mondlicht konnte er den Spalt deutlich erkennen. Sollte es so kurz vor der sicher geglaubten Rettung doch kein Entrinnen mehr für sie geben? In diesem Moment beschleunigte der Pilot und raste über den Spalt hinweg, ehe dieser breiter wurde. Die Maschine donnerte über die Startbahn, löste sich vom Boden und gewann an Höhe. Tweed drückte Paulas Hand.
»Wir sind in der Luft.«
»Gott sei Dank. Ich bin mit den Nerven völlig am Ende.«
»Das geht uns allen so.«
Im steilen Steigflug legte sich das Flugzeug in die Kurve und steuerte auf den Ozean zu; ein Manöver, durch das sich Tweed ein herrlicher Blick über die Stadt San Francisco bot. Er schaute nach unten. Seine Augen weiteten sich, als er sah, wie das kuppelförmige AMBECO-Gebäude, das aufgrund seiner einzigartigen Konstruktion als erdbebensicher galt, ins Wanken geriet, sich langsam zur Seite neigte und schließlich in sich zusammenstürzte.
Noch immer beschrieb die steigende Boeing eine weite Kurve. Tweed erkannte tief unter sich die Golden Gate Bridge. Die berühmteste Brücke der Welt schwankte heftig von einer Seite zur anderen. Ungläubig beobachtete er, wie in der Mitte des Bauwerks ein Riß aufklaffte. Ein Teil der darüber hinweg verlaufenden Straße brach auseinander und fiel in den vom Mondlicht beleuchteten Fluß. Das Wasser begann zu brodeln. Zum Glück hatten sich gerade keine Autos auf der Brücke befunden, die jetzt außer Sicht geriet, da das Flugzeug seinen Steigflug fortsetzte. In ungefähr elftausend Metern Höhe nahm es Kurs auf die Polarroute in Richtung Heathrow.
44.
Wie ein riesiges Insekt überflog der Learjet den Nordwesten Kanadas. In der luxuriös ausgestatteten Kabine saß Moloch neben seiner neuen Assistentin Heather Lang, die er von ihrem Job in Des Moines abberufen und an Bord eines seiner Privatjets nach San Francisco hatte einfliegen lassen. Als er mit dem Hubschrauber aus Black Ridge dort eingetroffen war, hatte sie ihn bereits erwartet.
»Wenn wir in Heathrow sind«, erklärte Moloch ihr gerade, »steigen wir in eine Maschine von Brymon Airways um und fliegen nach Newquay in Cornwall weiter. Dort steht ein Auto bereit, das uns nach Mullion Towers bringt.«
»Ihrem englischen Hauptquartier«, fügte sie hinzu. »Ist das jetzt Ihre neue Zentrale?«
Die Anfangsdreißigerin Heather Lang war eine attraktive Brünette, ebenso kompetent wie energisch. Sie trug ein hellgraues Kostüm über einer weißen Bluse, das ihre gute Figur betonte. Der kurze Rock gab lange, wohlgeformte Beine frei. Sie hatte eine gerade Nase, blaue Augen und ein interessantes Gesicht mit hohen Wangenknochen und einem kantigen Kinn. Man sah ihr den Ehrgeiz an, der in ihr brannte.
»Nein«, beantwortete Moloch ihre letzte Frage. »Wir gehen in Kürze an Bord meines schwimmenden Palastes, der Venetia, die vor Falmouth liegt. Damit fahren wir in den Libanon, nach Beirut, wo ich ein exotisches Haus hoch oben in den Bergen besitze. Dort ist es das ganze Jahr über angenehm kühl.«
»Klingt aufregend«, meinte Heather.
»Ich verlagere mein gesamtes Unternehmen in den Mittleren Osten«, fuhr Moloch fort, nachdem er ihr einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte. Belustigt registrierte er, daß seine Worte ihre Wirkung auf sie nicht verfehlt hatten - nicht umsonst hatte er seine Beschreibung so blumig wie möglich gehalten, um sie zu beeindrucken. »Übrigens«, sagte er beiläufig, »werde ich Ihr Gehalt
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