Hexenkessel
ist Ihren Schwestern Ihrer Meinung nach zugestoßen, Miß Standish?«
»Ich habe wirklich keine Ahnung. Unsere Familie ist nicht sonderlich wohlhabend. Ich mußte für meine Ausbildung selbst aufkommen. Meine Schwestern jedoch zogen es vor, aus ihrem Aussehen Kapital zu schlagen.«
»So etwas kommt häufig vor«, warf Tweed ein.
»Sie hätten für ihren Lebensunterhalt arbeiten können, so wie ich. Aber nein, sie ließen sich lieber mit einem reichen Mann nach dem anderen ein.«
Ein Hauch von Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit, und Tweed fragte sich, ob Linda wohl neidisch auf ihre hübschen Schwestern gewesen war, die sich das Leben so leicht gemacht hatten. Als sie weitersprach, änderte er jedoch seine Meinung.
»Cheryl und Julie waren beide nicht dumm. Sie hätten ihren Verstand nutzen und etwas aus ihrem Leben machen können. Ich habe sie immer wieder gewarnt, aber sie schlugen meine Ratschläge in den Wind. Für sie war ich eben nur die ältere Schwester, die ihnen dauernd Vorschriften machen wollte.«
»Lebten beide bei Moloch, oder hat er ihnen Wohnungen besorgt?«
»Nein, anfangs teilten sie sich eine kleine Wohnung in Carmel. Dann stellte Moloch Cheryl ein, nachdem er sie auf einer Party kennengelernt hatte, und sie zog zu ihm in dieses riesige Haus namens Black Ridge. Das liegt in der Nähe von Big Sur. Vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört.«
»Ich kenne die Gegend.«
»Später besuchte Julie dort ihre Schwester, und Moloch bot auch ihr einen Job an. Meine Zwillingsschwestern kleideten sich oft identisch, und kaum jemand konnte sie auseinanderhalten - außer mir. Ich frage mich manchmal, ob Moloch nicht eines Abends Julie mit Cheryl verwechselt und sich im Grunde genommen nur zufällig ihr zugewandt hat.« Linda zögerte. »Meine Schwestern haben Männer gerne zum Narren gehalten, indem sich die eine für die andere ausgab. In diesem Fall hätte sich der Streich allerdings für Cheryl als Bumerang erwiesen.«
»Wissen Sie etwas über die Anfänge von Molochs Karriere?«
»Ja, Cheryl hat mir viel erzählt - sie genoß sein Vertrauen. Er kam als junger Mann aus Belgien in die Staaten und baute sich dort sozusagen aus dem Nichts eine florierende Elektronikfirma auf. Andere Gesellschaften schlossen sich zusammen, um ihn aus dem Geschäft zu drängen und in den Ruin zu treiben, so daß er ein zweites Mal ganz von vorne beginnen mußte. Auf mich wirkt er wie ein Mann, der von einer unerschöpflichen Energie vorangetrieben wird. Er widmet sein ganzes Leben der Aufgabe, die AMBECO auszuweiten, arbeitet die halbe Nacht durch und benötigt nur sehr wenig Schlaf. Er ist wie besessen.«
Tweed zuckte innerlich zusammen. Sie hatte ihm gerade ein weiteres Teil des Puzzles geliefert, das perfekt in das Gesamtbild paßte, doch er vermochte sich nicht darüber zu freuen. Die düstere Theorie, die er ausgearbeitet hatte, beschwor zu entsetzliche Bilder in ihm herauf.
»Und Sie haben wirklich keine Ahnung, wer für den Tod Ihrer Schwestern verantwortlich sein könnte?« bohrte er weiter.
»Vielleicht der Buchhalter.«
»Wer?«
»In meinem Beruf bekommt man eine ganze Reihe von Gerüchten mit, Mr. Tweed. Eines davon besagt, daß ein bezahlter Killer, den man den Buchhalter nennt, bereits mehrere Menschen auf dem Gewissen hat. Er arbeitet angeblich sehr gründlich, bereitet seine Morde mit akribischer Genauigkeit vor. Leider weiß niemand, wer er - oder sie - ist.«
»Dieses Gerücht ist auch schon bis zu mir gedrungen.« Er hielt inne. Linda zeigte inzwischen deutliche Anzeichen von Erschöpfung. Die Zeitverschiebung machte sich bemerkbar. »Sie haben mir sehr geholfen, Miß Standish. Ich glaube, wir machen erst einmal Schluß. Eine solche Unterhaltung ist nach einem langen Flug doch recht anstrengend.«
»Da haben Sie recht. Ich denke, ich werde jetzt in mein Hotel zurückkehren und versuchen, eine Weile zu schlafen. Wie kann ich Sie erreichen, Mr. Tweed?«
Er zückte seine Brieftasche und entnahm ihr eine Visitenkarte, die ihn als Chefermittler der General & Cumbria Assurance auswies. Auf der Rückseite notierte er seine Telefonnummer und reichte ihr die Karte.
»Wenn ich nicht im Hause bin und Sie mir eine Nachricht hinterlassen wollen, dann wenden Sie sich bitte an meine Assistentin Monica. Sie arbeitet schon seit Jahren bei mir und ist ein Muster an Diskretion. Sie können ihr voll und ganz vertrauen.«
»Ich danke Ihnen - auch für Ihr Mitgefühl.«
»Ich wüßte nicht, daß ich mich
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