Hexenkind
»Ich hab dir ja erzählt, wie fürchterlich die Telefonate mit ihm sind. Da werde ich so eine Sache sicher nicht mit ihm am Telefon diskutieren!«
»Va bene, cara. Nun mal ganz ruhig. Denk einfach mal nicht an ihn. Was willst du denn?«
»Ich weiß es nicht.«
Anna überlegte einen Moment. Dann meinte sie: »Mein Gott, du kennst den Typen gerade mal drei Wochen, oder wie lange war er hier?«
»Sag nicht immer ›der Typ‹ zu ihm!« Elsa wurde rot.
»Schon gut, schon gut. Ich meine ja nur.« Anna versuchte zu beschwichtigen, sie wollte Elsa nicht wütend machen, aber sie wusste auch nicht, wie sie ihr weiterhelfen sollte.
Elsas Gesicht glühte. Sie ging zum Fenster und sah eine Weile stumm hinaus.
Dann sah sie Anna an. »Ich will es. Und ich will es nicht. Ich weiß nicht, was ich will. Ich liebe ihn, Anna, aber er ist irgendwie kein Mensch, mit dem man Kinder haben kann.«
»Überleg es dir«, erwiderte Anna, »du hast ja noch ein bisschen Zeit. Wichtig ist deine Beziehung zu diesem Amadeus. Nicht dass du nachher mit dem Kind allein dasitzt.«
Anna ging zu Elsa und umarmte sie. »Wenn er wiederkommt und du mit ihm zusammenziehen willst, sag mir Bescheid. Dann such ich mir’ne andere Wohnung.«
Elsa war ihrer Freundin unendlich dankbar dafür. Obwohl sie immer noch völlig durcheinander war, hatte sie zumindest ein paar Sekunden lang das Gefühl, dass alles gut werden würde. Sie hatte eine Zukunft mit Amadeus. Wie auch immer.
Eine Woche vor Heiligabend verkündete Anna, sie würde über die Feiertage gerne zu ihrer Mutter nach Bologna fahren. Ihr Freund würde ebenfalls mit seiner Familie in Mailand feiern. Ob sie sich während der Feiertage überhaupt treffen würden, stand noch in den Sternen.
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus?«, fragte Anna. »Du feierst doch sicher bei deinen Eltern in Montefiera, oder?«
»Natürlich feiere ich in Montefiera«, log Elsa. »Fahr ruhig zu deiner Mutter, ist schon in Ordnung. Wenn du allein hiergeblieben wärst, wäre ich nicht nach Montefiera gefahren, aber so … alles klar.«
Für Elsa brach eine Welt zusammen. Sie hatte gehofft, sich mit Anna ein paar stille, gemütliche Tage zu machen. Jetzt hockte sie allein in Siena. Ohne Amadeus, ohne Anna, ohne irgendetwas, ohne irgendjemand, auf den sie sich freuen konnte.
Am nächsten Abend rief Romano an. »Bitte, Elsa, topolino, mia cara, bitte komm Weihnachten zu uns! Bitte! Familien gehören zusammen, und ohne dich bedeutet mir das ganze Fest nichts, es geht irgendwie nicht ohne dich.«
»Wie ist die Stimmung?«, fragte Elsa kühl.
»Ganz gut. Deine Mutter ist viel zu Hause. Eigentlich fast immer.«
»Ach?«
»Ja. Sie hat mich auch gebeten, dich anzurufen. Sie würde dich so gerne sehen!«
»Ach?«
»Ja. Elsa, du glaubst nicht, was sie hier veranstaltet: Sie hat einen Baum und Weihnachtsschmuck besorgt, sie hat im ganzen Haus Kerzen aufgestellt und tagelang Plätzchen gebacken, sogar vor dem Haus hat sie Weihnachtsbeleuchtung angebracht und im alten Steinofen eine Krippe aufgestellt … Du musst es dir angucken, es ist wunderschön.«
Bisher hatte es nur äußerst wenig Weihnachtsschmuck im Hause Simonetti gegeben. Niemals einen Baum, höchstens einen Zweig, den Romano von einer alten Tanne schnitt. Sarah buk kein Weihnachtsgebäck, das machte immer nur Teresa. So war feierliche Weihnachtsstimmung eigentlich nie richtig aufgekommen. Sarah hatte einfach keinen Sinn dafür, die Vorbereitungen gingen ihr auf die Nerven, und außerdem fehlte ihr die Zeit. »Wenn ich den Trubel in den Geschäften schon vier Wochen lang ertragen habe, bin ich satt«, hatte sie erklärt. »Da muss ich das Theater nicht auch noch zu Hause haben.«
»Was sind denn das für neue Moden?«, fragte Elsa überrascht.
»Ich weiß es nicht, aber Edi freut sich auch. Und wenn du kommst, werden wir ein schönes Fest haben. Wenigstens das.«
Elsa schwieg.
»Bitte, Elsa, Liebes, bitte...«
Elsa hörte, wie Romano am Telefon schluckte.
»Mach dir keine Sorgen über Geschenke, cara, mach dir keinen Stress, wenn du bei uns bist, ist es das größte Geschenk, das du uns überhaupt machen kannst.«
»Gut«, sagte Elsa nach einer weiteren Pause. »Ich komme. Ich tu es für dich, Paps. Für dich und Edi. Sie ist mir herzlich egal.«
Dann legte sie auf.
»Elisabetta, mein Herz!«, jubelte er am Telefon, und seine Stimme war vollkommen klar und fest. »Ich habe einen Vertrag für einen Film: ›Der zweite Morgen‹ heißt er
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