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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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und ist eine ziemliche Liebesschnulze, aber das ist ja egal.«
    »Oh, wie schön! Bedeutet das, dass du wiederkommst?«
    »Noch nicht, aber bald. Ich muss noch einiges besprechen und festklopfen und auf die Muster warten. Aber ich beeile mich, meine Süße. Vielleicht schaffe ich es sogar schon zu Silvester. Mal sehn.«
    »Mit dir Silvester zu feiern wäre ein Traum!«
    »Ich probier’s. Ich mach doch den ganzen Schwachsinn hier im Grunde nur für dich! Wo bist du Weihnachten? Bei deinem Vater und deinem Bruder in Montefiera?«
    »Ja. Ich wollte eigentlich nicht, aber mein Vater hat mich so sehr gebeten …«
    »Tu das, du kannst doch nicht allein in Siena sitzen. Da würde ich mir Sorgen machen.«

    »Ohne dich bedeutet mir Weihnachten gar nichts.«
    »Nicht mehr lange, dann bin ich ja da. Lisa, Liebe, ich denke den ganzen Tag an dich, rund um die Uhr. …Und du? Vergisst du mich auch nicht?«
    »Nie!«, schrie Elsa, »niemals! Wenn du wüsstest wie sehr ich dich …« Ihr versagte die Stimme, aber sie spürte, dass er lächelte.
    »Ich weiß. Bis bald, Lisa, bis ganz bald.«
    Nach dem Telefonat stürzte sie sich in wilden Aktionismus, saugte die ganze Wohnung und heulte dabei vor Glück. Es war der zwanzigste Dezember 2004, ein nasskalter grauer Montag in Siena.

64
    Er konnte es nicht ausstehen, wenn sich Gunda ihre langen, gebogenen, krallenähnlichen Fingernägel im Büro lackierte. Er kam sich wie ein dummer Junge und vollkommen überflüssig vor, wenn er ihr gegenübersaß und ihr beim Pinseln und Telefonieren zusah. Sie knipste das tragbare Telefon ein und aus, tippte die Nummern in atemberaubender Geschwindigkeit mit dem linken Daumen in die Tastatur, was ihn bei der Länge ihrer Fingernägel immer wieder erstaunte, hob ihre krampfadrigen Waden auf die Schreibtischkante und seufzte.
    »Ich krieg Kügler einfach nicht. Vielleicht ist er schon auf den Malediven, obwohl wir heute telefonisch verabredet waren.«
    »Vielleicht kriegst du ihn gar nicht mehr zwischen Weihnachten und Neujahr«, bemerkte er.
    »Vielleicht.« Gunda grunzte verärgert. »Aber wie stellt der Idiot sich das denn vor? Der Film hat am 18. Januar Abnahme. Mit allem Tod und Teufel. Machst du die Musik in zwei Wochen?«
    »Nee.«
    »Na also. Komm, scheiß auf Kügler, lass uns was essen gehen. Nachher probiere ich es noch mal. Irgendwo hab ich auch noch seine Privatnummer. Wenn sich der Kerl dann
immer noch nicht meldet, rufe ich ihn zu Hause an, auch wenn er mir den Kopf abreißt.«
    »Nein.«
    »Wie – nein?«
    »Wir gehen nicht essen, und du brauchst ihn auch nicht noch mal anzurufen. Ich fahre nach Italien. In zwei Stunden geht ein Zug. Wenn ich den nehme, bin ich morgen früh in München und morgen Abend in Arezzo.«
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen?« Gunda schwang ihre Beine vom Tisch und funkelte ihn wütend an. »Wenn wir Kügler erreichen, klopfen wir das Ding fest. Dann hast du sechsundzwanzig Tage bis zur Abnahme. Das wird ja wohl reichen. Da hast du sogar noch Zeit ›Ihr Kinderlein kommet‹ zu singen, dich volllaufen zu lassen und deine neue Freundin zu vögeln.«
    »Halt die Klappe, Gunda, sonst hau ich dir eine rein.«
    Gunda blieb davon völlig unbeeindruckt und redete sich regelrecht in Rage. »Erzähl mir doch keine Opern, Amadeus! Weihnachten interessiert dich so viel wie das Schwarze unterm Nagel. Es ist doch nur irgendeine kleine italienische Schlampe, die dir den Kopf verdreht hat.«
    Er stand auf. Ihm war plötzlich schwindlig. »Ich fahre. Da kannst du dich auf den Kopf stellen. Ich habe keine Lust, hier zu sitzen und auf Big Boss Kügler zu warten, bis er seine Gans runtergeschluckt hat und am siebten Januar aus dem Ski-Urlaub zurückkehrt, um dann den Film mit altbekannten Songs zuzukleistern. Ich bin nicht euer Affe!«
    »Wenn du jetzt gehst, siehst du mich nicht wieder.«
    »Ciao, Gunda.« Er grinste. »Und frohe Weihnachten.«
    Er verließ das Büro und fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.

     
    Um zweiundzwanzig Uhr fünfzig saß er im Zug nach München. Vollkommen entspannt, nur mit seiner Zahnbürste, etwas Unterwäsche, einem weiteren warmen Pullover in einer kleinen Reisetasche und keinem Tropfen Alkohol. Er sah Dörfer und Städte an sich vorbeiziehen, warmes Licht hinter festlich geschmückten Fenstern und ab und zu das beleuchtete Schild einer Bahnhofsgaststätte. Aber die Sehnsucht nach Elisabetta war stärker als der Wunsch, am Tresen zu sitzen und langsam der Nacht und der

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