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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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durchgeschnitten hatte. Ihr wurde kalt, eiskalt, und sie spürte, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen.
    Dennoch öffnete sie das Fenster, in der Hoffnung, der Leichengeruch würde verschwinden. Dann lief sie hastig, wie gehetzt, die Treppe hinunter, und kam kurz darauf mit einem riesigen Müllbeutel, einem Eimer, einem Scheuerlappen und Spülmittel wieder.
    Das schaffe ich nicht, dachte sie unentwegt, und machte sich dennoch an die Arbeit.
    Zuerst zog sie das Bett ab und stopfte das Bettzeug in den Müllbeutel, penibel darauf bedacht, mit dem eingetrockneten Blut ihrer Mutter nicht in Berührung zu kommen.
    Erst jetzt sah sie, dass auch das Inlett blutdurchtränkt und fleckig war. Sie überlegte einen Moment, dann warf sie Kopfkissen und Bettdecken aus dem offenen Fenster. Die Matratze hatte keine Flecken abbekommen, wahrscheinlich weil Sarah auf der Decke und nicht im Bett gelegen hatte.
    Die Matratze musste sie also nicht wegwerfen. Das erleichterte die ganze Sache, denn sie hätte nicht gewusst, wie sie sie wegtransportieren sollte.
    Aber den Fußboden zu reinigen erfüllte sie mit Entsetzen. Sie lief wieder nach unten, um den Eimer mit heißem Wasser zu füllen, was sie vergessen hatte.

    Durch das heiße Wasser löste sich das geronnene und getrocknete Blut vom Steinfußboden, und der Scheuerlappen, den sie unentwegt ausspülte, färbte das Wasser braun. Schon wieder ekelte sie sich, die Hand ins Wasser zu stecken, und lief in kurzen Abständen nach unten in die Küche, um das Wasser wieder und wieder zu wechseln.
    Sie schrubbte wie eine Besessene. Bett, Wand, Fußboden. Jeden noch so winzigen Blutspritzer bearbeitete sie, als hinge ihr Leben von seinem Verschwinden ab.
    Irgendwann achtete sie nicht mehr darauf, wie oft sie das Wasser wechselte. Jedes Putzmittel, das sie im Haus fand, benutzte sie. Sie spritzte Scheuermilch auf die Natursteinwand, schüttete Spülmittel ins Wasser und rieb das Bett mit purem Universalreiniger ab.
    Sie war wie im Rausch. Der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter, und die Haare klebten ihr auf der Stirn. Längst war jeder noch so winzige Blutstropfen beseitigt, aber sie arbeitete weiter. In unvermindertem Tempo.
    Ein Donnerschlag stoppte den Irrsinn.
    Erst jetzt bemerkte sie, dass es draußen bereits dunkel geworden war. Tiefschwarze Wolken über dem Haus verdeckten den Mond. Erneut krachte ein Donnerschlag durch die Dunkelheit, und unmittelbar danach zuckte ein gleißend heller Blitz über den Himmel, der den Wald für den Bruchteil einer Sekunde gespenstisch erleuchtete.
    Ich komme nicht mehr zurück. Der Gedanke traf sie wie ein vergifteter Pfeil. Ich kann bei diesem Gewitter nicht durch den Wald, ich muss hierbleiben. Warten, bis das Unwetter vorüber ist. Oh mein Gott. Die Angst kroch ihr wie eine eiskalte Hand über den Nacken.

     
    Er kämpfte sich durch den Wald. Es regnete nicht, es schüttete regelrecht. Schlammbäche flossen den Weg hinunter oder schossen, aus dem Gebüsch kommend, über die Straße. Das Wasser peitschte ihm ins Gesicht, er war vollkommen durchnässt, aber spürte die Kälte nicht, wenn der Wind ihm um die Ohren pfiff und in seine nasse Kleidung fuhr.
    »Leise leise – auf die Reise«, flüsterte er vor sich hin und wusste, dass das, was er vorhatte, richtig war.
    Kein Mond schien. Die Luft war ein undurchsichtiger nebliger Brei. Er hatte eine Taschenlampe dabei, aber er hatte sie nicht angeschaltet, sondern verließ sich ganz auf seine Intuition und tastete sich sicher wie ein Schlafwandler durch das Dickicht.
     
    Sie hörte den Regen aufs Dach trommeln. Zusammen mit dem Donner überlagerte er alle Geräusche des Waldes, was sie noch unsicherer machte. In diesem Moment fiel ihr ein, dass die Haustür nicht abgeschlossen war. So schnell sie konnte, rannte sie die Treppe hinunter und öffnete die Tür. Der Schlüssel steckte von außen. Sie zog ihn ab und verschloss die Tür. Kontrollierte das Küchenfenster und die winzige Fensterluke im Magazin und rannte die Treppe wieder hinauf.
    In ihrer Faust hielt sie den Schlüssel so fest, dass er ihr ins Fleisch schnitt. Sie überlegte gerade, wo sie ihn sicher deponieren könnte, als ein noch stärkerer Donnerschlag das Haus erzittern ließ. Der Blitz, der unmittelbar darauf folgte, erhellte das Zimmer wie ein bläulicher Feuerschweif.
    Es gab ein unheimlich lautes Knacken, und im selben Moment wurde es stockdunkel. Elsa hielt den Atem an. Sie
tastete sich einen halben Meter vor, bekam das Kabel der

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