Hexenkind
hat heute den ganzen Tag Wurstverkäuferin gespielt und ausgerechnet, was zweihundertfünfzig Gramm Mortadella kosten bei einem Kilopreis von vierundzwanzig Mark.«
Sarah lächelte. »Ich könnte mir vorstellen, dass es etliche Wurstverkäuferinnen gibt, die dazu nicht in der Lage sind.«
Das Telefon klingelte. Sarah nahm ab ohne sich zu melden.
»Sag etwas, mein Liebling«, raunte Franky. »Ich kann nicht schlafen, ohne deine Stimme im Ohr.«
Sarah hielt Romano den Hörer hin. »Für dich.«
»Pronto?«, meldete sich Romano.
»Entschuldigen Sie bitte vielmals die späte Störung, aber bin ich da richtig bei Wiegand? Walter Wiegand?« Frankys Stimme klang ausgesprochen freundlich und sympathisch.
»Nein. Falsch verbunden.« Romano legte auf und lächelte.
»Es war nicht für mich, da hatte sich jemand verwählt.«
»Er ist verflucht raffiniert, Romano. Spielt das Phantom.«
»Aber Sarah. Es war falsch verbunden. Sonst nix.«
»Er war es, Romano. Nur wenn du am Apparat bist, tut er so, als sei er falsch verbunden.«
Romano nahm Sarah in den Arm. »Ich dir alles glauben, carissima, aber verdammt schwer. Ich ihn noch nie gesehen, noch nie gehört am Telefon, ich nicht war im Fahrstuhl oder im Hausflur. Niemand weiß nichts. Nur du. Und Brief ist nicht böse.«
»Du denkst also, dass ich spinne.«
»Nein, denke ich nicht«, sagte Romano pflichtbewusst, aber er klang nicht sehr überzeugend.
»Romano, ich muss mit dir reden. Möchtest du noch was essen?«
Romano schüttelte den Kopf. »Grazie. Nein.«
»Wir müssen unser Leben verändern, Romano. Es ist nämlich so, dass ich schwanger bin. Wir bekommen ein Kind.«
Romano war so fassungslos und überrumpelt, dass er erst mal überhaupt nicht reagierte. Dann ging ein Strahlen über sein Gesicht, und er schloss Sarah in seine Arme. »Das ist phantastisch! Cara, carissima, das ist größte Freude meines Lebens, sag noch mal, damit ich kann glauben.«
»Ja, es ist wahr, wir bekommen ein Baby, Romano, aber das ist noch nicht alles, was ich dir heute Abend sagen möchte.«
Romano hörte den Ernst in ihrer Stimme, nahm ihre Hand, setzte sich ihr gegenüber und sah sie aufmerksam an.
»Romano«, sagte sie ruhig, »wir können hier nicht bleiben. Das ist kein Leben mehr. Ich halte Frankys Terror nicht aus, ich kann die Angst, die jeden Tag stärker wird, nicht mehr ertragen. Und irgendwann wird etwas passieren, das weiß ich. Dazu kenne ich Franky zu gut. Außerdem kann ich mich nicht noch ein paar Jahre in dieser Wohnung verstecken, bis du genug Geld zusammen hast, um zurück nach Italien zu gehen.«
»Ho capito«, murmelte Romano. »Nein, ich glaube nicht, dass du mich schon verstehst. Ich bin zusammen mit Elsa hier in dieser Wohnung lebendig begraben. Und bald werden es zwei Kinder sein. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Da gehen wir alle dran kaputt.«
»Ja, ja, ja, ja, aber was sollen wir tun?«
Sarah goss sich ein Glas Wasser ein und lächelte Romano zu. »Salute, Romano«, sagte sie mit weicher Stimme. »Du darfst nie daran zweifeln, dass ich dich liebe.« Romano beugte sich zu ihr und küsste sie. »Ich liebe dich auch«, flüsterte er und wollte in diesem Moment unbedingt glücklich sein, aber es gelang ihm nicht, zu viel Angst hatte er vor dem, was sie noch alles sagen würde.
Sarah legte ihre Hand auf seinen Arm. »Wir müssen hier weg, Romano. So schnell wie möglich.«
»Si, si, si! Aber wohin?«
»Nach Italien, amico! Zu dir nach Hause! Das ist doch wohl klar!«
»Das geht nicht!«
»Warum soll das nicht gehen? Wir wohnen bei deinen Eltern und fangen ganz klein an. Mit einer winzigen Trattoria, einer kleinen Bar, was weiß ich. Ich kann mir auch einen Job suchen. Vielleicht als Deutschlehrerin. Ich werde
schon was finden. Meinst du nicht, dass deine Mutter auf die Kinder aufpasst, während ich arbeite? Und du baust unterdessen die Trattoria auf. Ich bin sicher, du schaffst das ganz schnell. Ich werde auch meine Eltern fragen. Sie haben bestimmt etwas auf der hohen Kante, und vielleicht geben sie uns eine kleine Starthilfe für die Trattoria. Die beiden Kinder werden zwei richtige Italiener werden. Und sie leben in einem kleinen Ort mitten in der Toskana, wo das Essen gesund und das Wetter herrlich ist, umgeben von lauter Menschen, die Kinder lieben und wo ihnen nichts passieren kann. Ist das nicht wundervoll?«
Romano nickte stumm.
»Sie können ohne Angst aufwachsen. Und ich kann mich endlich wieder frei bewegen.«
Romano schwieg immer
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