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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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fand.
    Eigentlich hatte Neri vorgehabt, sich den Laden und seinen Besitzer erst einmal unauffällig anzusehen und vielleicht einen Füllfederhalter oder schönen Kugelschreiber für Gabriella zu kaufen, die solche Dinge liebte und im nächsten Monat Geburtstag hatte, aber jetzt verwarf er seine Pläne und ging direkt auf den Mann zu.
    »Entschuldigen Sie bitte vielmals«, begann er vorsichtig, »aber sind Sie der Inhaber des Ladens Antonio Graziani?«
    Auf Antonios Stirn bildete sich eine tiefe, gerade Falte, die die Stirn in zwei gleich große Hälften teilte.
    »Ja«, sagte er langsam und betont leise. »Der bin ich. Und darf ich auch fragen, wer Sie sind?«
    »Natürlich.« Mit gespielter Schussligkeit suchte Neri nach seiner Brieftasche. »Es tut mir leid, ich habe mich ja noch
gar nicht vorgestellt. Ich bin Commissario Donato Neri aus Montevarchi, und das ist mein Kollege Tommaso Grotti. Gibt es irgendeinen Ort, wo wir uns ungestört ein paar Minuten unterhalten können?«
    »Hier«, sagte Antonio und ging zur Tür. Er schloss sie ab und drehte ein Schild im Fenster der Tür um, auf dem stand: »Ritorno subito.«
    »Va bene.« Neri lächelte. »Ich halte Sie auch nicht lange auf.« Neri und Antonio setzten sich auf zwei Korbstühle, die hinter dem hohen Verkaufstresen standen.
    »Signor Graziani …, wie haben Sie erfahren, dass Signora Simonetti ermordet worden ist?«
    »Ein Freund aus Badia a Ruoti hat mich angerufen. Gleich nachdem man sie gefunden hatte.«
    »Welcher Freund?«
    »Massimiliano Bindi. Ein Architekt.«
    »Waren Sie auf der Beerdigung der Signora?«
    Antonio nickte.
    »Haben Sie auf dem Friedhof mit Romano Simonetti gesprochen oder mit jemand anderem aus der Familie? Romanos Mutter Teresa vielleicht?«
    »Nein. Mit niemandem. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand Wert darauf gelegt hätte, von mir angesprochen zu werden.«
    »Sie hatten eine Beziehung zu Sarah Simonetti?«
    »Ja.«
    »Teresa Simonetti wusste auch davon?«
    »Ja.«
    Es ist nicht zu fassen, dachte Neri, die Frau lügt, wenn sie den Mund aufmacht.
    »Wann haben Sie die Signora zum letzten Mal gesehen?«

    »In der Nacht, in der sie ermordet wurde.«
    Neri war sprachlos. Alles hatte er erwartet, aber nicht diese Antwort.
    Antonio saß vollkommen ruhig mit locker übereinandergeschlagenen Beinen Neri gegenüber und hatte die Hände im Schoß gefaltet. Neri sah ihm in die glasklaren hellen Augen und versuchte die leiseste Unsicherheit zu entdecken, aber da war nichts. Er hatte eher das Gefühl, dass der Anflug eines Lächelns um Antonios Mundwinkel spielte.
    Tommaso stand im Hintergrund, hörte aufmerksam zu und versuchte, seinen aufkommenden Schluckauf zu unterdrücken.
    »Erzählen Sie. Was passierte in dieser Nacht?«
    »Ich kam so gegen dreiundzwanzig Uhr zu Sarah. Sie machte eine Flasche Rotwein auf, trank selbst aber nur Wasser. Als ich sie fragte, warum, sagte sie, sie fühle sich nicht besonders wohl. Dann gingen wir nach oben ins Schlafzimmer. So um eins schliefen wir beide ein. Um halb zwei wachten wir auf, weil das Telefon klingelte. Es war Romano. Er rief oft an, um sie zu kontrollieren. Aber an diesem Abend war sie ziemlich kurz angebunden und fertigte ihn schnell ab. Vielleicht, weil sie verschlafen war. Wahrscheinlich hatte er dadurch Verdacht geschöpft.«
    »Was heißt ›Verdacht geschöpft‹? Sie sagten doch, Romano wusste über Ihre Beziehung Bescheid?«
    »Das schon. Aber sie hatte ihm versprochen, mich seltener zu sehen und ihm immer zu sagen, wenn sie sich mit mir traf. Was sie natürlich nicht tat. Wir trafen uns öfter als Romano ahnte.«

    »Warum hatte sie das versprochen?«
    »Weil Romano sie bedrohte.« Jetzt lächelte Antonio, was Neri vollkommen unpassend fand. »Er inszenierte Nervenzusammenbrüche, wollte sie verlassen oder meinte, er wolle sich und den Kindern etwas antun. Es war jedes Mal hochdramatisch, bis sie es nicht mehr aushielt und ihm dieses Versprechen gab, um ihn zu beruhigen.«
    »Gut. Wie ging es dann weiter in dieser Nacht?«
    »Um Viertel nach zwei rief Romano noch einmal an. Er schien vollkommen betrunken zu sein, schimpfte, weinte und schrie am Telefon, sagte, sie habe ihn belogen, er spüre ganz genau, dass sie nicht allein im Haus sei, und er würde jetzt kommen und sie nach Hause holen. Aber vorher wolle er noch das Haus in Brand stecken.«
    Tommaso machte sich Notizen. Neri fragte weiter.
    »Wie hat sie darauf reagiert?«
    »Ganz gelassen. Wie gesagt, sie war solche Drohungen

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