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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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der sich mit seiner dritten Frau Lisa in die Einsamkeit der toskanischen Berge und Wälder zurückgezogen hatte, um zu jagen und sein Leben zu genießen. Sein Grundstück war eingezäunt und wurde von scharfen Hunden bewacht, aber einmal im Jahr öffnete Frederico die Tore für ein Sommerfest, zu dem er alle aus den umliegenden Dörfern Montefiera, Ambra, aber auch Duddova und Cennina einlud, zu denen er im Lauf der Zeit auch nur annähernd Kontakt gehabt hatte.
    Frederico hatte die gesamte Familie Simonetti eingeladen, aber Teresa blieb zu Hause. Sie hatte sich bereit erklärt, auf Elsa und den mittlerweile knapp zwei Jahre alten Edi aufzupassen, der sich tagsüber beim Spielen völlig verausgabte und nach der abendlichen Mahlzeit und einer Gute-Nacht-Geschichte meist selig schlief.
    Da das Haus der Benedettis nur über eine felsige, steile und teilweise schlammige Naturstraße zu erreichen war, die man mit einem normalen Auto nicht bewältigen konnte, übernahm Romano mit seinem geräumigen Jeep den
Shuttle-Service für die meisten Bewohner Montefieras, die nicht über einen Fiat Quattro per Quattro oder einen kleinen Jeep verfügten.
    Die Trattoria war an diesem Tag geschlossen, denn wenn die Benedettis ihr Sommerfest gaben, kamen ohnehin kaum Gäste. Sarah wartete zu Hause. Sie wollte mit Romano als Letzte erscheinen, wenn er alle anderen Gäste transportiert hatte.
    Es war bereits Viertel vor neun, als Romano, Enzo und Sarah auf Monte Calma ankamen.
    Frederico Benedetti hatte bereits seine Begrüßungsrede gehalten, die jedes Jahr gleich klang, und den Bedienungen ein Zeichen gegeben, den ersten Gang aufzutragen, der aus Crostini mit Leberpaste, Pilzcreme, Tomatenstücken und Kräutersugo bestand. Alle Gäste saßen an ihren Tischen, und die ersten Rotweinflaschen wurden geöffnet, als Sarah, gefolgt von Romano und Enzo, auf die Gesellschaft zuging. Ungefähr fünf Meter vor den Tischen blieb sie kurz stehen, strich sich ihre seidigen und weich fallenden Haare aus der Stirn und lächelte.
    Und alle sahen sie an. Einen Moment schien es, als hörte jeder auf zu essen, als würden alle den Bruchteil einer Sekunde innehalten, weil sich eine derartige Schönheit auf einem Sommerfest im Valdambra seit Menschengedenken noch nie hatte blicken lassen.
    Während ihrer Schwangerschaft und in den vergangenen Monaten war Sarah nur wenig unter Leute gegangen, Romano hatte die meisten Einkäufe allein erledigt, es interessierte Sarah auch nicht, in irgendwelche Bars zu gehen, nur um einen Espresso zu trinken. Sie begnügte sich damit, zu Hause ihre immer runder werdende Leibesfülle zu verstecken,
bei Enzo Italienisch zu lernen und Elsa zu unterstützen, die alles Wissenswerte regelrecht verschlang, in welcher Sprache auch immer.
    Als Edi geboren war, sah sie es als ihre wichtigste Aufgabe, sich um ihn zu kümmern.
    So gab es viele Menschen in Montefiera, die Sarah bisher nur flüchtig wahrgenommen hatten, die meisten aus Ambra oder umliegenden Dörfern kannten sie gar nicht.
    Ihr Auftritt auf Monte Calma war eine regelrechte Sensation.
    Roberta Stocchi saß neben ihrem Sohn Rico und schob ihm gerade ein Lebercrostini, das sie gar nicht mochte, auf seinen Teller, als sie Sarah Simonetti kommen sah und fast gleichzeitig spürte, wie sich Ricos Körper verspannte. Roberta legte beruhigend die Hand auf das Knie ihres Sohnes und drückte leicht zu. Sie konnte sich glücklich schätzen, einen so wundervollen Sohn zu haben.
    Rico war jetzt vierunddreißig, hatte immer noch keine Frau gefunden und bewohnte gemeinsam mit seiner Mutter ein weiß verputztes Haus an der Weggabelung nach Cennina, ein felsiges, unwegsames Grundstück, das besonders viel Arbeit machte, wie Roberta immer gern betonte. Rico wohnte im hinteren Teil des Hauses, hatte anderthalb Zimmer und ein kleines Duschbad für sich, eine Küche war für ihn nicht nötig, fand Roberta, sie kochte ohnehin für beide. Rico arbeitete als Krankenpfleger im Krankenhaus von San Giovanni, er war ein schwerfälliger, aber äußerst gutmütiger und geduldiger Mann, der mit einem Händedruck seiner großen fleischigen Finger jeden nervösen Patienten sofort beruhigen konnte. Häufig hatte er Spätschicht, dann ging er nachmittags um drei aus dem Haus
und kam erst gegen Mitternacht wieder. Manchmal, wenn sie ohnehin nicht schlafen konnte, wartete Roberta auf ihn und leistete ihm beim Fernsehen noch ein wenig Gesellschaft, aber gesprächig war er nie um diese Zeit.
    Pünktlich jeden

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