Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Buckel, aus dem, scheinbar ohne Hals, schief sein Kopf herausgewachsen war. Doch sein Gesicht war sehr ansehnlich, man konnte es sogar als schön bezeichnen, und er machte einen aufgeweckten Eindruck.
Nach Feierabend erfuhr Lucia von Carlo Näheres über Nicola. Auf Carlos Bitte hatte sie sich mit ihm im vorderen Hofabschnitt auf eine Bank gesetzt.
"Sein Vater ist Arzt", berichtete Carlo ihr, "und scheint ein Ordensbruder unseres Maestros zu sein."
"Oh mei, das kann ja spannend werden."
"Si, finde ich auch. Nicola stammt wenige Meilen nördlich von hier aus Merate, ist vor zwei Wochen achtzehn geworden und hat fünf Jahre auf einer Lateinschule zugebracht."
Während ihres Gesprächs flog Carlos Blick immer wieder zum nahe gelegenen Küchenhaus, und wie nun Gina dort herauskam, um ihren Heimweg anzutreten, verstummte er und lächelte zu ihr hin. Um im Palazzo ihre Mutter abzuholen, musste sie an ihnen vorbeigehen, weshalb sich Carlo gerade im Rücken aufrichtete und ihr dann freundlich: "Buona notte, Gina!" zurief.
Gina grüßte ihn abweisend zurück, Lucia hingegen lächelte sie zu. Lucia befremdete Carlos Verhalten, ihr war, als habe er absichtlich diese Bank gewählt, zumal sie schon mehrmals beobachtet hatte, dass er Gina gerne sah. Manchmal wurde sie nicht klug aus ihm, in vielerlei Hinsicht. Das allerdings erging jedem so, denn so entgegenkommend und hilfsbereit Carlo meist war, er war dennoch ein schwieriger Mensch, war bisweilen wegen einer Nichtigkeit beleidigt und benahm sich dann oft tagelang so motzig, dass man ihm besser aus dem Weg ging. Deshalb hütete sich Lucia jetzt auch, ihn auf Gina anzusprechen, ebenso, wie sie sich noch nie erkundigt hatte, wo er, stets so flott hergerichtet, seine Abende verbringe. Umgekehrt bedrängte er sie schließlich auch nie mit Fragen nach ihrer Familie. Nur unter dieser Voraussetzung konnte weiterhin ihre Freundschaft gedeihen.
Beim Frühstück des nächsten Morgens hatten es, außer Lucia, alle eilig, selbst Nicola. Und als Lucia erfahren wollte, was sie denn heute so antreibe, erteilten sie ihr zwar keine Auskunft, konnten jedoch ein Grinsen nicht unterdrücken. Dadurch neugierig geworden, beeilte auch sie sich, ihre Hafergrütze zu verspeisen, und kaum hatte sie ihre leere Schale nach hinten geschoben, forderte Leonardo sie auf, ihn in sein Atelier zu begleiten.
Auf dem Weg zu jener Treppe, die zum Laboreingang hoch führte, fiel ihr auf, dass ihnen die anderen nachschlichen, und vom Stall her kamen plötzlich die Gastkünstler in ihre Richtung, alle drei. Was nur ging hier vor? Leonardo reichte ihr den Schlüssel zur Labortür. "Schließ auf", hieß er sie, während sie die fünf Stufen hochstiegen. Sie tat es, trat ahnungslos ein und dann die Überraschung - der Farbherstellungsraum war eingerichtet. Sie ging bis zur Mitte des Raumes, sah neben der Terrassentür den wunderschönen gusseisernen Ofen stehen, und vor der Fensterfront standen die neuen kupfernen Fabrikationsgeräte.
"Leonardo!", rief sie aus, und der strahlte sie an, dass seine Augen und Zähne um die Wette blitzten. "Ist das eine Überraschung, Leonardo, der Ofen, die Geräte", freute sie sich.
"Und alles funktioniert", ertönte jetzt von der Tür her Bernardinos Bass, worauf alle Künstler sowie Carlo und Nicola in den Raum drängten.
"Alle drei Geräte laufen Lukas", ereiferte sich Marco und gleich drauf Carlo: "sie sind kinderleicht zu bedienen", und dann alle durcheinander:
"Hat zwar Stunden gedauert, bis alles aufgebaut war", "kuck hier die Griffe, Lukas, alle aus feinem glatten Holz," "und diese fußgerechten Pedale", "und die Riemen, kuck, sie laufen über mehrere Räder, damit . ."
"Halt, halt", mäßigte Leonardo jetzt den Eifer der Männer, "dem Lukas müsst ihr nichts erklären, der versteht mehr von Mechanik als ihr alle zusammen."
Dazu äußerte sich Lucia nicht, sie wunderte sich nur, dass Leonardo das noch immer glaubte. Um jedoch seine Meinung zu bestärken, sah sie sich die Geräte mit fachmännischem Blick genauer an, erst den Stampfer, dann den Mörser und am Schluss das Mischgerät, das Leonardo sinnvoller konstruiert hatte, als seinerzeit auf ihrer Zeichnung vorgegeben.
"Das ist praktisch", bemerkte sie, "weil hier übereinander und versetzt zwei Schaufelreihen liegen. Perfekt."
Wie sich Lucia weiterhin die Geräte innen und außen sowie von allen Seiten betrachtete, die Beweglichkeit der Stampfkolben prüfte, die schrägen Einfülllöcher auf dem Deckel des Mischgeräts
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