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Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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die äußere Form der Rosen, vielmehr brachte er ihr Innenleben zum Ausdruck, ihr blumenhaftes Empfinden, ihre Keuschheit wie auch ihr Streben nach Sonnenlicht.
Der Maestro hatte sich das Bild bereits mehrmals betrachtet, sich aber nicht dazu geäußert. Auch Bernardino und Giovanni, die Lukas sonst stets Ratschläge erteilten, ließen ihn kommentarlos gewähren. Da Lukas diese neue Haltung seiner Ausbilder verunsicherte, bat er Carlo um seine Meinung zu dem begonnenen Bild.
"Es wird dein bisher bestes Gemälde", meinte Carlo, "wirklich, es bezaubert schon jetzt. Die Rosen sind so zart, so lebendig, dass man förmlich ihren Duft wahrnimmt."
Diese Aussage hätte Lukas erfreuen sollen, stattdessen lehnte er sich gegen sie auf - Bezaubernd, zart, ausgerechnet! Das hätte mir nicht passieren dürfen! Und wie gehe ich jetzt weiterhin vor?

    Am gleichen Abend setzte sich Lukas in seiner Guten Stube mit diesem Problem auseinander. Er wusste selbst, dass die von seinem Maestro verlangte Malweise künstlerischer war als alles, was er bisher hier geboten hatte, doch ich darf sie nicht anwenden, mahnte er sich nun abermals. Andererseits wusste er, dass es ein Fehler wäre, wieder in den harten Malstil zu verfallen, damit würde er den Maestro geradezu beleidigen. Er müsste einen Kompromiss finden.
Einen Kompromiss, dazu hatte er sich bereits bei seiner Fluchtvorbereitung entschlossen, gegen Alphonses eindringliche Warnung.
Nun glitten seine Gedanken weit in die Kindheit zurück.
Er bekam vor Augen, wie er als Kind heimlich vom Korridor seines Elternhauses aus in die Gute Stube geblickt hatte. Seine Mutter kauerte, Hände vor dem Gesicht, in einem Sessel, und vor ihr stand zornwütig ihr Gatte, der so laut brüllte, dass die Streben des Holzhauses vibrierten. Es ging um Alphonse. "Jahrelang hatt'n wir Ruh' vor dem Schöntuer", tobte er in seinem Vintschgauer Heimatdialekt, "und nu taucht er wieder auf!"
Seine schwarzen Augen blitzten vor Zorn, und sein vierschrötiger Körper bebte, als Lukas' Mutter Alphonse verteidigte: "Meine Mutter, seine Tante, ist beerdigt worden, nur deshalb ist er hier."
"Euretwegen ist er hier, Weib! Glaubt Ihr, ich hab net mitbekommen, wie er Euch angeschmachtet hat? Und Ihr habt's genossen, Weib, jawoll, genossen habt Ihr's!"
"Meine Mutter ist gestorben, er hat mir Trostworte gesagt."
"Trostworte", höhnte er, "ich lass mich doch net verdeppen! Und wie ihn diese Kindermalereien entzückt haben", er äffte Alphonse nach: "Très joli! Dieses erstaunliche Talent eines noch solch kleinen Kindes muss gefördert werden." Dann wieder mit Donnerstimme: "Was mischt der sich in unsre Angelegenheiten? Unser Kind kommt nach Brixen auf die Klosterschul, damit was wird aus ihm. Jawoll! Noch dieses Jahr!"
Er hatte seine Ankündigung wahr gemacht. Seit wann nur war er so unberechenbar, so cholerisch? War er nicht einstmals ein ganz anderer gewesen?
Um dies endlich zu ergründen, konzentrierte sich Lukas jetzt auf die Hochzeit seiner Eltern.
Allmählich fand er sich darin ein . . .
Auf der Hochzeitsfeier ging es in dem pompösen Herrenhaus der Brauteltern mit zahlreichen Gästen hoch her. Meister Rodder, seinerzeit noch schlank, war neunundzwanzig und seine bereits schwangere Braut war fünfzehn. Beide strahlten vor Glück, und man merkte Meister Rodder an, dass er stolz auf seine Braut, seine Silke, war. Wenngleich man sie nicht unbedingt als schön bezeichnen konnte, dafür war sie zu mager, doch sie besaß den französischen Esprit ihrer Eltern, der stets alle bezauberte.
Die Bilder liefen weiter, und Madame Rodders Leib rundete sich zusehends. Dann der Tag, an dem sie ihr Kind zur Welt brachte - keinen Jungen, sondern ein Mädchen.
Ja, Lukas' Männerkleidung verbarg einen Frauenkörper. Für die Inquisitoren eine Sittenwidrigkeit, die mit Hinrichtung geahndet wurde.
Nun, die Eheleute Rodder ließen ihr Neugeborenes auf den Namen Lucia taufen. Ihr Familienglück war perfekt.
Wenn, ja, wenn nicht in der Brust des jungen Vaters langsam ein Stachel herangewachsen wäre, getränkt mit dem Gift der Eifersucht. Er fühlte sich durch die kleine Lucia allmählich zurückgesetzt, denn seine Gattin liebte ihr Töchterlein über alles, und wie er richtig empfand, liebte sie es mehr als ihn.
Während Lucias ersten drei Lebensjahren ruhte seine Eifersucht noch, er war sogar reizend zu seiner Silke und seiner kleinen Lucia. Dann aber wurde er immer zänkischer. Seine lebensfreudige und bis dahin stets mit Lucia scherzende

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