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Hexenkuss

Hexenkuss

Titel: Hexenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Viguié , Nancy Holder
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ihrem Vater und dem Leben, wie es nie wieder sein würde.
     
    University of Washington, Seattle
    Die Schwitzhütte war voller Schweißgeruch und fast nackter Körper. Jer verhielt sich ganz still und suchte nach dem Frieden, den er in der vergangenen Nacht nicht hatte finden können. Es war Lammas gewesen, eines der wichtigsten Feste im Jahr eines Hexers, und sein Vater war nicht erschienen.
    Er und Eli hatten gemeinsam gefeiert, eine ziemlich trübselige Angelegenheit, weil die beiden Brüder einander nicht ausstehen konnten. Als der Jüngere war es Jers Pflicht, bei den Ritualen zu assistieren, und er hatte innerlich gekocht, während Eli das ganze Ritual ins Lächerliche gezogen hatte. Zum Abschluss hatte er mit scherzhaft düsterer Stimme und diabolischem Lachen verkündet: »Geht hin in Frieden. Die Schwarze Messe ist beendet. Huuua-ha-ha-ha-ha.«
    »Bist du so müde von dem, was ihr gestern Nacht getrieben habt, oder was?«, fragte Kari. Jer öffnete nicht einmal die Augen. Es gehörte sich nicht, in der Schwitzhütte zu sprechen, und das wusste sie auch. Sie war gestern Abend sauer gewesen, als er gegangen war, weil er sie nicht eingeladen hatte, mitzukommen.
    Glaubt sie, indem sie mir ein schlechtes Gewissen macht, könnte sie mir irgendwelche Informationen entlocken? Pech gehabt, denn ich fühle mich kein bisschen schuldig.
    »Komm schon, Süßer. Es ist doch für meine Arbeit über die Ernte in folkloristischen Traditionen«, beharrte Kari, bog den Rücken durch und fächelte sich mit beiden Händen Dampf und Rauch an die Brust. Das Schwitzen sollte einen reinigen, innerlich und äußerlich. Jer nahm es ihr übel, dass sie ihn zu manipulieren versuchte, indem sie seine Aufmerksamkeit auf ihren Körper lenkte, und er fand es demütigend, dass das funktionierte. Jungs wurden einfach viel zu sehr von Verlangen gesteuert, und Mädchen wie Kari wussten das.
    »He«, protestierte Kialish. »Nicht reden.« Im Lauf der Zeit hatte Kari offenbar vergessen, dass sie hier nur zu Gast war. Die Schwitzhütte gehörte Kialish, Eddie und Jer, sofern man behaupten konnte, dass sie überhaupt jemandem gehörte, außer der University of Washington.
    »Tut mir leid«, sagte sie unbekümmert. Sie berührte ihre Stirn. »Mir ist heute nur einfach zu heiß hier drin. Ich kann mich nicht konzentrieren.«
    »Das kann niemand, wenn du ständig quatschst«, erwiderte Kialish energisch.
    »Okay. Tut mir ja leid. Also, ich hau ab.« Sie sah Jer erwartungsvoll an, denn sie wollte wohl, dass er mit ihr ging.
    Jer schüttelte knapp den Kopf und bewegte dann leicht die Schultern, um ihr zu zeigen, dass er zwar jetzt gerade nicht in Stimmung war, sie sich aber später gern treffen konnten. Das besänftigte sie.
    Ich habe ein Problem mit Frauen, dachte er. Sein Vater behauptete immer, seine Mutter sei furchtbar unsicher und passiv gewesen, eine sehr schwache Persönlichkeit. Jer hatte allerdings schon mehr als einmal daran gedacht, dass man entschlossen und willensstark sein musste, um jemanden zu verlassen, wozu ein wirklich passiver, sehr schwacher Mensch gar nicht in der Lage wäre. Er selbst bemühte sich, Gedanken über seine Mutter in der Vergangenheit ruhen zu lassen, wo sie hingehörten, doch es gelang ihm nicht. Die Version seiner Mutter, die sein Vater ihm präsentierte, fand er wenig glaubwürdig, und da das alles war, was er im Augenblick hatte, war es am besten, sich gar kein Bild von ihr zu machen.
    Aber eines Tages werde ich die Magie dazu besitzen. Dann werde ich einen Findezauber sprechen und meine Mom finden, nachsehen, ob es ihr gut geht. Und ich werde sie fragen, ob es ihr leidtut, dass sie mich bei ihm und Eli zurückgelassen hat...
    Kari rollte sich auf die Füße und blieb unter der niedrigen, gerundeten Decke der Schwitzhütte tief geduckt stehen. Sie streichelte Jers Knie und sagte leise: »Bis später, Baby.« Dann öffnete sie die Zeltklappe, kroch hinaus und schloss sorgfältig die Klettstreifen von außen.
    Jetzt, da sie weg war, konzentrierte sich Jer wieder auf die brennenden Scheite. Er starrte sie mit halb geschlossenen Augen an und lullte seine Emotionen zu passiver Ruhe ein, ließ seine Arme und Beine erschlaffen, seine Atmung langsamer werden. Er stellte sich vor, wie Hitze und Rauch in alle Öffnungen, alle Poren seines Körpers drangen und sie wärmten und wie sich die Kräuter in dem Rauch mit seinem Wesen vermengten, so dass ein Teil von ihm nur noch aus diesem Ort und diesem Augenblick bestand. Wie

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