Hexenkuss
seinem Sohn auf die Schulter und sagte: »In den alten Tagen des Covens nahm der Meister die Jungfrauen zuerst, weißt du?«
»Oui, mon père, und soweit ich mich erinnere, wurde der Meister des Zirkels durch einen Kampf auf Leben und Tod bestimmt.« Er warf seinem Vater einen verschlagenen, leicht herausfordernden Blick zu.
»Touché.« Laurent warf den Kopf zurück und lachte; offenbar fand er die milde Herausforderung seines Sohnes amüsant und nicht bedrohlich. Der Herzog war ein Löwe. Jean wusste, dass es noch Jahre dauern konnte, ehe er hoffen durfte, dessen Titel zu erben, sowohl als Erster ihres Hauses als auch des Covens. Diese Aussicht störte ihn nicht. Sein Vater war ein guter Anführer, und Jean profitierte von seiner Anleitung.
»Dies ist ein großer Tag für uns, Junge. Die Mitgift der Cahors macht uns zur reichsten Adelsfamilie in ganz Frankreich.« Seine Augen glitzerten bei dem Gedanken. »Zeuge mit Isabeau heute Nacht ein Kind, und bis zu seinem zwölften Lebensjahr mache ich ihn zum König.«
»Wie Ihr wünscht, Vater«, sagte Jean und schwang den Arm abwärts wie bei einer eleganten Verbeugung. Sein Blut geriet in Wallung beim Gedanken an Isabeau in seinem Bett. »Ich werde mein Bestes tun.«
»Bei all den Zaubern, die wir gesprochen haben, wird sie uns bis Beltane einen Jungen gebären.«
»Certainement. Der Grüne Mann wird unsere Großzügigkeit gewiss belohnen.« Jean wies mit einem Nicken auf die Tiere, die sie bereits abgeschlachtet hatten. »Wir geben ihm reichlich zu essen. Und bald bekommt er noch viel mehr.«
Die beiden lächelten einander zu. Laurent machte eine magische Geste mit einer Hand und zwinkerte seinem Sohn zu. Beinahe gleichzeitig mit der Geste trat ein Treiber in der grünen und scharlachroten Livree der Deveraux aus einem dichten Kastanienhain und schrie: »Der Erste vom kostbarsten Fleische!«
»Oyez, oyez, der Erste vom kostbarsten Fleische!«, rief Compte Alain DuBruque, der Hofjäger. »Mes seigneurs, diese Beute gebührt dem Bräutigam!«
Zustimmendes Gebrüll erhob sich in den Reihen der berittenen Jäger. Die Trommeln donnerten, die Hunde kläfften und warfen sich in die Leinen. Jean ließ die Zügel los, hielt beide Hände über den Kopf und nahm den Beifall der Jagdgesellschaft als Huldigung an. Cockerel tänzelte schnaubend im Kreis herum, und Fantasme flatterte wie verrückt über seinem Kopf und kreischte vor Blutdurst. Jean drückte die Fersen gegen Cockerels heiße, feste Flanken, und der prachtvolle Hengst bäumte sich majestätisch auf. Fantasme landete auf seinem Kopf und ritt nun wie sein Herr selbst auf dem Pferd.
»Die Hunde los!«, befahl Jean.
Fanfaren schmetterten. In den hinteren Reihen wurde eine Koppel Hunde losgelassen, die man hatte hungern lassen, damit sie umso wilder wurden. Kläffend und heulend schossen die beiden Tiere zwischen den Reihen der menschlichen Jäger hindurch, wichen den Pferdehufen aus und rasten auf den schattigen Wald zu. Jean jagte ihnen nach, und Cockerels mächtige Hufe verfehlten die gierigen Bestien nur knapp.
Dann kam sein Wild hervor, von den Treibern aufs offene Feld gescheucht. Es war ein großer Bauernjunge von etwa sechzehn Jahren. Jean war erfreut: Die Beute war ein junger, kraftstrotzender Mann, in dem noch viele Jahre Leben steckten. Das war ein gutes Zeichen; der Grüne Mann würde ein so prächtiges Geschenk zu schätzen wissen und die Mühen seines Gefolgsmannes gewiss mit einem Sohn belohnen. Das Erstgeborene aus der Verbindung der Cahors und Deveraux musste ein Erbe werden. Laurent und Jean wussten nicht, wie lange die Allianz zwischen den beiden Familien halten würde. Wer konnte schon sagen, ob sie lang genug überdauern würde, damit seine neue Frau ihm ein zweites Kind gebar?
Jean galoppierte an den Hunden vorüber, der Mann sah ihn, warf sich herum und floh. Fantasme kreischte vor Gier und flog ihm nach.
Narr, dachte Jean in bösartiger Erregung. Dieses Pferd hat in Jerusalem tausend Ungläubige nieder gerannt. Glaubt er vielleicht, einem mageren Leibeigenen könnte gelingen, was gestählte Krieger nicht vermochten?
Unter dem ermunternden Geschrei seiner Männer drängte Jean Cockerel voran. Er holte zu dem Mann auf, zog sein Schwert, ließ die Zügel los und führte das Schwert schräg abwärts. In diesem Augenblick schaute der junge Bauer ängstlich über die Schulter. Er sah das Schwert auf sich zurasen und öffnete den Mund zum Schrei. Zu spät - Jeans Klinge trennte seinen Kopf
Weitere Kostenlose Bücher