Hexenkuss
vom Rumpf, sauber und glatt. Der Kopf schoss noch ein Stück durch die Luft, ehe er auf die Erde klatschte und davonkullerte.
Jean zog den rechten Stiefel aus dem Steigbügel und schwang das Bein über den Sattel, so dass er in einem gefährlichen Winkel über der linken Flanke seines Streitrosses hing. Wie ein wilder Araber beugte er sich hinab, riss den Kopf vom Boden hoch und zog sich wieder aufrecht in den Sattel. Er hielt seine Trophäe hoch, damit sie alle sehen konnten, während die Hunde sich geifernd auf den kopflosen, noch zuckenden Körper stürzten. Blut spritzte aus dem Hals hervor, und die entsetzten Augen starrten Jean einen Moment lang an. Manche erzählten, dass Enthauptete danach noch einige Sekunden lang lebten. Für den Fall, dass das stimmte, lachte Jean in das sterbende Gesicht und sagte: »Dein Tod soll mir einen Sohn bringen, sonst verfluche ich deine Seele, auf dass sie dem Teufel anheimfällt.«
Die Augen rollten im Kopf zurück. Und Fantasme holte sich seinen Anteil, während die Jagdgesellschaft ihrem Begleiter zujubelte - und dem Erben ihres Zirkels.
Laurent galoppierte herbei und rief: »Gut gemacht, mein Sohn!« Er streckte die Hände aus, und Jean warf den Kopf in die Arme seines Vaters. Dann winkte er seinen jubelnden Gefährten zu und galoppierte davon, um sich auf seine Hochzeit vorzubereiten. Die anderen konnten sich den Rest der Bauern holen, die für diese Jagd ausgewählt worden waren.
Mondlicht und Feuerschein beleuchteten den Hof von Schloss Deveraux. Die grotesken steinernen Wasserspeier, die Jean als Kind bis in seine Träume verfolgt hatten, starrten auf die Versammlung hinab und spien Feuer. Fackelflammen tanzten in der warmen Luft, und große Freudenfeuer brannten in den Tunneln, die zu den gefürchteten Verliesen hinabführten, in ganz Frankreich als Bastionen unaussprechlicher Grausamkeit berüchtigt. Wehe dem, der einen Deveraux erzürnt, sagte man, und das stimmte. Es war klug von den Cahors, ihr Schicksal mit dem der Deveraux zu verbinden, nun, da sie wussten, dass die Deveraux das Schwarze Feuer erschaffen konnten. Dieses Grauen wollten die Cahors nicht gegen sich gewendet sehen.
Wie es üblich war, trafen sich Isabeau und Jean vor der geschlossenen Tür der Kapelle. Männer und Frauen heirateten vor der Kirchentür, daher war es keine Beleidigung für den Bischof, dass sie die Kirche nicht betraten. In dieser Nacht des Blutmonds standen die beiden einander vor Bänken mit Lilien und Efeuranken gegenüber. Die Lilie war die Blume der Cahors, der Efeu das Symbol der Deveraux. Fantasme und Pandion waren zugegen und saßen stolz jeder auf seiner geschmückten Stange. Wären sie nicht angebunden gewesen, hätten sie einander zu töten versucht.
Isabeau glich einem fantastischen Drachenweibchen. Sie war gekleidet wie die großmächtige Adelsdame, die sie war, in Elfenbeinweiß mit Silberstickerei. Doch sie zitterte wie eine schüchterne Jungfrau, und im Licht des Vollmonds sah Jean, wie blass sie unter ihrem schwarz-silbernen Schleier war.
Wie lange werdet Ihr meine Gemahlin sein?, fragte er sich stumm. Wie lange, bis unsere Häuser ihre Fehde wieder aufnehmen und ich Euch vergifte, enthaupte oder auf dem Scheiterhaufen verbrenne?
Als hätte sie ihn gehört, blickte sie mit hart glitzernden Augen zu ihm auf. Sie blinzelte nicht und hielt seinem Blick stand. Ihre Augen leuchteten hellblau. Die Luft zwischen ihnen summte vor Spannung. Er war hocherfreut: Diese Dame besaß Rückgrat, beim Gott des Waldes! Er würde gut daran tun, auf sich selbst achtzugeben, denn sonst würde sie es sein, die ihm den Garaus machte.
Er lachte leise und kehlig und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Vater zu.
Während die beiden Häuser auf Lateinisch und in noch älteren Sprachen sangen, hielt Laurent seinen Athame bereit, um dem Brautpaar die Pulsadern anzuritzen. Die Kapuze seines dunkelroten Gewandes verhüllte sein Gesicht, und er ragte wie eine finstere Statue vor dem Altar auf. Isabeaus Mutter Catherine trug ebenfalls Schwarz und Silber, denn das waren die Farben ihres Hauses.
Sie boten der Hochzeitsgesellschaft einen prächtigen Anblick, und Macht und Leidenschaft entflammten zwischen dem jungen Paar, als die beiden Seelen bis in alle Ewigkeit vereint wurden. Ihre Handgelenke wurden aufgeschlitzt, und Blut vermischte sich zu einem Blut und einem Fleisch, als Laurent und Catherine die linken Arme ihrer Kinder verbanden. Sie verschnürten sie mit Bändern, die in
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